Zwei

Zwei

Die jüngere der beiden Frauen war ungeschminkt. Ihre geschwollenen Augenlider glänzten feucht und rot. Sie hatte geweint, seit man sie am Morgen angerufen hatte. Die Haare fielen unfrisiert über die Ohren. Neben ihr, nahe der Türe, saß die ältere Frau. Die Haut in ihrem Gesicht war glatt und straff, der Rollkragen des schwarzen Pullovers endete unter dem Kinn. Sie sah auf den Boden vor ihren Schuhspitzen und hielt ihre Handtasche mit beiden Händen vor ihren Körper.
Die junge Frau schaute zu ihr und sagte: „Lass mich in Ruhe, ich will Dich nie mehr sehen.“
„Das wird nicht gehen“, sagte die ältere Frau.
„Er liebt mich“, sagte die jüngere Frau.
„Mich liebt er auch“, sagte die ältere Frau.
Als die Türe von innen geöffnet wurde, schauten beide Frauen hoch. Der Mann im weißen Kittel, der herausgetreten war, räusperte sich.
„Er ist wach“, sagte er.
Die Frauen sahen sich an.
„Sie können zu ihm“, sagte der Arzt, „er will seine Frau sehen.“
Die junge Frau erhob sich, öffnete die Tür und hielt sie auf.
Beide Frauen sahen den Mann im Bett sitzen, er winkte mit der rechten Hand. Der linke Unterarm war verbunden und lag in einer Schlinge.
„Komm“, sagte die junge Frau zu der älteren Frau und ließ sie zuerst den Raum betreten.

Hans Dieter Peschken