Schon groß

Schon groß

Das Telefon hielt sie in der Hand, als es an der Türe klopfte. Sie wollte die Mutter von Simon anrufen. Der Fünfjährige hätte schon seit einer halben Stunde in der Kita sein müssen. Jetzt stand er in der Türe, die Erzieherin war erleichtert.
„Oh, Du bist alleine gekommen. Du bist ja schon groß.“
„Ja, ich bin schon groß“, sagte Simon.
„Hast Du verschlafen?“
„Nein“, sagte Simon, „ich habe Hunger.“
„Hat Deine Mutter Dir kein Frühstück gemacht?“
„Nein“, sagte Simon, „sie schläft noch.“
„Liegt sie im Bett, weil sie krank ist?“
„Nein“, sagte Simon, „sie sitzt am Tisch.“
„Dann schläft sie wohl nicht.“
„Doch“, sagte Simon, „sie hat den Kopf auf den Tisch gelegt.“
„Hast Du nicht versucht, sie zu wecken?“
„Doch“, sagte Simon, „aber sie bewegt sich nicht.“
„Dann rufen wir jetzt deine Oma an“, sagte die Erzieherin.
„Oma ist in Hamburg, bei meinem Vater“, sagte Simon.
„Ich rufe trotzdem an“, sagte die Erzieherin, „geh in den Gruppenraum. Du bist ja schon groß.“
Sie hatte das Telefon noch in der Hand und tippte drei Ziffern ein.

Dieter Peschken