Nass

Nass

Als der Regen aufhörte war sie nass. Das Wasser lief ihr den Nacken hinunter in den Pullover. Sie setzte sich an den Tisch des Straßencafés, der vor der Hausfassade unter der Markise stand.
„Bitte, was kann ich Ihnen bringen?“
Der Kellner war sehr schnell gekommen und stand vor ihr.
„Nichts, ich will bitte nur fünf Minuten trocken sitzen.“
„Wir sind hier ein Café und kein öffentlicher Warteraum“, sagte der Kellner.
„Ich muss wieder gehen, wenn ich nichts bestelle?“, fragte sie.
„Ja“, sagte er.
„Einen Kaffee, bitte“, sagte sie.
Den Kaffee ließ sie kalt werden. Sie mochte keinen Kaffee, nur sitzen wollte sie. Sie würde später noch weit laufen müssen, das Geld für die Straßenbahn reichte nun nicht mehr.
Sie winkte dem Kellner, als es wieder zu regnen begann.
„Ich möchte zahlen“, sagte sie.
„Den Kaffee hat der Herr dort hinten bereits bezahlt“, sagte der Kellner.
Oh nein, dachte sie, auch das noch. Schon wieder ein berechnender Kavalier der ihr ansah, dass sie sich den Café-Besuch nicht leisten konnte.
Sie blickte sich um. Einen alten Mann sah sie, mit einer ebenso alten Begleiterin, die ihr zuwinkte.
Als sie zu dem Paar an den Tisch trat, streckte sie dem Mann ihre Hand entgegen.
„Mein Mann ist blind“, sagte die Frau.

Hans Dieter Peschken