Lügenpresse

Lügenpresse

Von der Lügenpresse reden vornehmlich die Menschen, die gar keine Zeitung abonniert haben und keinen deutschen Satz unfallfrei beenden können. Weder in den Nachrichten der Printmedien noch im Fernsehen werden Lügen verbreitet. Obwohl – manche Formulierungen sind komisch, andere sogar falsch. Wenn die Tagesschausprecherin Judith Rakers um 20 Uhr auf dem Bildschirm erscheint, sagt sie: „Guten Abend meine Damen und Herren. Ich begrüße Sie zur Tagesschau.“ Mit den Worten „Guten Abend“ hat sie einen Gruß entboten, danach zu sagen, dass sie grüßt ist  überflüssig. Und dass soeben die Tagesschau begonnen hat, sagt eine Stimme aus dem Off und eine eingeblendete Schrift weist auch darauf hin. „Ich grüße Sie“ ist so ein Behelf, wenn man den Namen des zu Begrüßenden nicht kennt, und auch die Tageszeit nicht aussprechen, nämlich um die Mittagszeit nicht  „Mahlzeit“ sagen will.
Aber auch sonst ist manche Wortwahl, sowohl im Fernsehen als auch in den Zeitungen, nicht immer  korrekt. Die Berichte von unerfreulichen, gar schlimmen Vorkommnissen, werden pseudo-poetisch umschrieben. Gab es eine Schießerei in der Stadt, so fand sie auf „offener Straße“ statt. Geschlossene Straßen sind aber sehr selten. Drastisch will man sein, wenn vom „Kugelhagel“ berichtet wird, in den die Betroffenen gerieten. Mit Kugeln wird seit den Zeiten, als Vorderlader aus der Mode kamen, nicht mehr geschossen. Wie sollten die Kugeln denn in die Waffe hinein, und vor allem, wie wieder hinausbefördert werden? Gerne würde der Nachrichten-Empfänger auch auf Berichte von noch schlimmeren Taten verzichten. Wenn aber wieder mal ein Selbstmordattentäter aufgetreten ist und seinen Sprengstoffgürtel zündete, dann hat er sich „in die Luft gesprengt.“ Niemand möchte die Details erfahren, was mit dem Körper eines solchen Attentäters wirklich geschah. Aber „in die Luft gesprengt“ lässt darüber nachdenken, ob da jetzt einer nach der Detonation irgendwo herumfliegt.
Leider muss auch immer über Einbrüche berichtet werden, bei denen die Täter wieder „zugeschlagen“ haben. Vom Finanzminister, der die Steuern erhöht, werden die Bürger „zur Kasse gebeten“ und wenn das funktioniert, dann „sprudeln“ die Steuereinnahmen. Nicht vom Geschehen auf Grundschulhöfen ist die Rede, wenn erzählt wird, dass man sich „neu  aufgestellt“ habe. Das sind meistens Firmen, denen man das unterstellt, denn die haben sich nicht nur neu organisiert sondern auch viel Geld investiert. Muss man glauben, denn gesagt wird, dass sie das „Geld in die Hand genommen“ haben.
Auch bei erfreulicheren Ereignissen wird gerne mit Wörtern gespielt, die die Wirklichkeit  umschreiben. Für das kleine Nachbarschaftsfest mit den Biertischen auf dem Wendehammer wird auf die „Gnade des Wettergottes gehofft“ und die Eingeladenen dürfen sicher sein, dass für „das leibliche Wohl gesorgt“ ist. Es gibt keinen Wettergott, und wen ein großes Speisen- und Getränkeangebot erwartet hat, der muss sich bei entsprechendem Zuspruch hinterher nicht wohler fühlen. Für den wird eher „die letzte Runde eingeläutet“, während für andere noch das Feiern „angesagt“ ist.
Nein, gelogen ist das alles nicht, was die Medien so verbreiten.
Nur manchmal dumm gesagt.

Hans Dieter Peschken