Krefelder Galopprennbahn mit Abb

Vor 100 Jahren: Im Galopp in Krefeld den Galoppsport an den Start gebracht
Teil 1, erschienen in „Die Heimat“ 82/2011, Seite 134 bis 137

von Hans Dieter Peschken

Ein ehrgeiziges Vorhaben war es: Zielstrebige Bürger, in die Zukunft denkende Politiker und schnell handelnde Männer in der Verwaltung etablierten in wenigen Monaten einen Verein, von dessen Arbeit die Stadt noch heute profitiert. Paragraph 1 der Satzung formulierte die Ziele des neuen Vereins: „Der am 5. Mai 1911 gegründete Crefelder Rennverein hat den Zweck, durch Veranstaltung von Pferderennen mit Geld- und Ehrenpreisen, Pferdesport und Landespferdezucht zu heben und den Verkehr der Stadt Krefeld zu fördern.“

Es war nicht der erste Versuch, in Krefeld Pferderennen zu veranstalten. Aber es war der erste, und durch den Einsatz vieler prominenter Krefelder und nicht zuletzt durch Politik und Verwaltung geförderte Versuch, der sich schnell und dauerhaft als erfolgreich erwies. Und der die Bedingungen dafür schuf, dass bis heute, also 100 Jahre später, Krefeld als ein Austragungsort für Pferderennen gilt, der in Rennsportkreisen und darüber hinaus in Deutschland hohes Ansehen genießt.

Schon der am 10. Februar 1884 gegründete „Crefelder Renn- und Reiterverein“ veranstaltete Pferderennen auf den Wiesen an der Hüttenallee, die damals der Familie Jentges gehörten. Der Verein existierte nur kurz. Die „Rennbahn“ entsprach nicht den woanders schon üblichen Bedingungen und dem Verein fehlte auch eine finanzielle Basis. Aber unter den Aktiven finden sich Krefelder Persönlichkeiten, die offenbar dem Pferdesport eng verbunden waren. Wilhelm Kappes und Dr. Wilhelm Jentges – der Sohn des 1884 verstorbenen Wilhelm Jentges – ritten als „Herrenreiter“ mit, Ernst Heydweiller fungierte als Auswieger. Jagdreiten, beispielsweise durch das Hülser Bruch, war damals in der Krefelder Gesellschaft populär, in Folge einer solchen „Schnitzeljagd“ zu Pferde gründete sich am 1. Februar der „Krefelder Reit- und Fahrverein.“ Hermann Lange war 1904 Schatzmeister, Wilhelm Kappes Beisitzer im Vorstand. Ab 1909 ist Rudolf Oetker der 2. Vorsitzende. Bereits Weihnachten 1900 konnte man eine Reithalle an der Goethestraße einweihen, für die man Hugo Koch, der auch das Kaiser Wilhelm Museum gebaut hatte, als Architekten gewinnen konnte. Ernst Heydweiller war einer der Geschäftsführer der „Crefelder Reitbahn GmbH.“

Natürlich waren die Vereinsmitglieder passionierte Reiter, die nicht nur in Krefeld, sondern auch auf Turnieren in der Umgebung bei Geländeritten, beim Dressurreiten und Springprüfungen und in Wettbewerben erfolgreich auftraten. Verstärkung erhielt die Krefelder Reiterszene durch das „2. Westfälische Husarenregiment Nr. 11.“ Die sogenannten „Tanzhusaren“, von Kaiser Wilhelm II. den Krefelderinnen als Tanzpartner versprochen, waren von 1906 an, aus Düsseldorf hierhin verlegt, in Krefeld stationiert.

Aktive Pferdefreunde, aber auch passive, kamen in Krefeld jedoch nicht zu ihrem Vergnügen, wenn sie schnelle Pferde laufen sehen wollten. Galopprennen wurden schon 1822 in Doberan veranstaltet; Rennbahnen in Tempelhof (1830), Hoppegarten (1868), Charlottenburg (1884), Karlshorst (1894), Strausberg (1900) und Grunewald (1909) etablierten sich. Bis 1867 existierten 50 Rennvereine ziemlich system- und führungslos nebeneinander. In diesem Jahr gründete sich der Union Klub in Berlin – nach 1945 „Direktorium für Vollblutzucht und Rennen“ (Köln) – als Koordinationsbehörde. Der erste Rennverein in Krefelder Reichweite war der 1876 gegründete „Neusser Reiterverein“, der „Düsseldorfer Reiter und Rennverein“ kam 1884 hinzu, es folgten 1885 der „Mülheim-Duisburger Rennverein (1885), der „Dortmunder Rennverein (1887), der „Essen-Horster Rennverein“ (1895) und der „Kölner Rennverein“ (1897).

Abb. 1. Nicht nur den schnellen Pferden zuschauen wollte man – auch als Treffpunkt mit guter Bewirtung, hier auf der Galerie an der Rückseite der 1. Tribüne, war die Rennbahn ein beliebtes Ziel.

Abb. 2. So voll war es auf der Bahn, als es im Sommer 1913 die ersten Galopprennen im Stadtwald gab.

Alle diese Bahnen, besonders die näher gelegenen wie Neuss und Düsseldorf, zogen auch Besucher aus Krefeld an. Galopprennen waren schon damals nicht nur sportliche Veranstaltungen, sondern galten auch als gesellschaftliche Ereignisse. Der Gedanke, auch in Krefeld, und nun auf hohem Niveau und professionell ausgerichtet, den Galoppsport-Freunden ihr Vergnügen zu bieten, lag nahe. Am 5. November 1910 gab es einen Aufruf zur Gründung eines „Crefelder Rennvereins“, Interessenten sollten sich in Listen eintragen, die beim Verkehrsverein auslagen. Als „Eintrittsgeld“ in den Verein wurden 10 Mark angekündigt, der Jahresbeitrag war mit 15 Mark angegeben. Der Aufruf war von folgenden Personen unterzeichnet:

Robert von Beckerath, Dr. Bertram (Beigeordneter), Johannes Blum (Landwirt, Stadtverordneter), Major a. D. Courth, Hans Deussen, Justizrath Dr. Hermann Drathen (Vorsitzender des Verkehrsvereins), Dr. Ferdinand Freiherr von Hausen (Beigeordneter), Ernst Heydweiller, Rudolf Jacobs, Regierungsrat a. D. Wilhelm Jentges, Wilhelm Kappes, Major z. D. Kombst, Richard Lagelee, Richard Leendertz, Carl Maurenbrecher, Kommer-zienrat Heinrich Müller-Brüderlin, Oberbürgermeister Dr. Adalbert Oehler, Paul Oetker, Rudolf Oetker, Oberleutnant Pauwels, Otto Schellekes, Louis Sinkel und Oberst von Storch.

Es sei „aus der Bürgerschaft heraus“ in „lebhafter Weise dem Wunsch nach Abhaltung von Pferde-Rennen in Crefeld Ausdruck gegeben worden“ hieß es. Die Krefelder Bevölkerung sei „für alles Schöne besonders empfindsam“ und zudem „sportlustig.“ Krefelder mit bekannten Namen also unter den Initiatoren, die nicht nur Interesse an Pferdesport hatten und zur besseren Krefelder Gesellschaft gehörten, sondern mit Stadtverordneten, Beigeordneten und gar dem Oberbürgermeister eine starke Durchsetzungskraft versprachen. Die erwies sich auch als nötig, mochten doch die anderen Rennvereine die neue Konkurrenz nicht so einfach akzeptieren. Sie intervenierten beim Union Klub, der den Krefeldern Bedingungen stellte. Mindestens 1000 Mitglieder sollten vorgewiesen werden, bevor der Verein die Erlaubnis zur Veranstaltung von Pferderennen bekäme.

Ein „Arbeitsausschuss“, dem Rudolf Oetker-vorstand, machte sich an die Mitgliederwerbung. Bereits Anfang 1911 konnte man dem Union-Klub 1150 Mitglieder melden. Gleichzeitig wurde Geld gesammelt, was besonders Rudolf Oetker übernahm, während der Beigeordnete Ferdinand Freiherr von Hausen die Weichen für die Akzeptanz in den städtischen Stellen und die zu treffenden Maßnahmen in der Stadtverwaltung stellte. Oberbürgermeister Dr. Adalbert Oehler hatte am 14. Januar 1911 in Krefeld aufgehört, um als OB nach Düsseldorf zu wechseln. Am 16. Februar trat Dr. Johannes Johansen als sein Nachfolger das Amt an, unter gleichzeitiger Verleihung des Titels Oberbürgermeister. Er war es, der dann der Stadtverordneten-Versammlung am 20. April 1911 eine „Denkschrift über die Schaffung eines Rennplatzes in Crefeld unter Mitwirkung der Stadt“ vorlegte.

Abb. 3. Hinter der 1. Tribüne.

Darin wird erst einmal aufgeführt, wie wichtig die Totalisator-Konzession für den Betrieb einer Rennbahn ist. Am Beispiel Neuss wird vorgerechnet, dass der dortige Verein 1910 bei einem Umsatz von 1 400000 Mark etwa 140 000 Mark Gewinn erwirtschaftete. Als Argumente — „Ausnahme-Gründe“ bei sonst restriktiver Handhabe der Befürwortung — für die Krefelder Totalisator-Zulassung durch den preußischen Landwirtschaftsminister und den Union Klub wurden aufgeführt: Man könne von „Wiedereröffnung“ eines Rennplatzes sprechen, wegen der bereits von 1885 bis 1890 abgehaltenen Rennen. Ein „handgreiflich dargetanes großes sportliches Interesse“ der „ansässigen und benachbarten Bevölkerung“ wurde angeführt, insbesonders der Mitglieder des Reit- und Fahrvereins, und Krefeld als „junge Reitergarnison“ galt als erwähnenswert.

Abb. 4. Gut besucht ist der Bereich auch vor den Tribünen, und gut behütet sind sowohl die Damen als auch die Herren.

Die „dauernde Sicherung eines völlig einwandfreien und gut gelegenen Platzes“ war eine weitere Voraussetzung. Es lagen Angebote vor, einmal des Jentges’schen Grundbesitzes für 68 Morgen „zwischen Stadtwald und Hüttener Park“ und zweitens für das Gelände der Erben Courth für 55 Morgen nördlich angrenzend. 216000 Mark forderte der Jentges’sche Grundbesitz, die Erben Courth verlangten insgesamt 162 000 Mark. Von beiden Eigentümern lag keine Verpachtungsofferte vor. Die Stadt als Käufer des Areals sollte, zuerst einmal für 20 Jahre, dem Verein eine „ideelle Landüberlassung“ leisten, als „ideelle Gegenleistung“ wurde eine unentgeltliche Rücküberlassung an Rennplatzteilen für „Spiel- und Sportzwecke der Allgemeinheit“ erwartet.

Abb. 5. Auf dieser Luftaufnahme sind auch schon die Logentribüne und die Stehplatztribüne zu sehen.

In der Denkschrift wurde auch der Landesherr – Kaiser Wilhelm II. – erwähnt, der ja schließlich der Stadt das Husaren-Regiment zuführte. Das würde die Rennbahn auch für seine Zwecke nützen (Concours Hip-pique hinter der 1. Tribüne ist auf dem Plan im 1. Rennprogramm 1913 eingezeichnet) und das Offizier-Corps sich an der Leitung des Vereins beteiligen. Der Stadt, so wurde ausgeführt, würde die Rennbahn einen „weiteren Anziehungspunkt verleihen” und „neue, sonst nie gesehene Gäste zuführen.“ Lohnfuhrleute, Straßenbahn, Wirtschaften und Hotels und sonstige Gewerbetreibende würde „unbedingt Verdienst“ gebracht. Sogar die „Volksgesundheit“ wurde angeführt, die Rennbahn würde auch dem Eislauf- und Flugsport „dienen können.“

Der „Kapitalbedarf zur Deckung einmaliger Anlagekosten“ wurde mit 235000 Mark angegeben. Die größeren Posten darin waren die Geläufherstellung (30.000 Mark), die Einfriedung des Geländes (20000 Mark), sowie für Tribüne, Stallungen und Nebenbauten 165000 Mark. Durch Schenkungen, Darlehen und Barauktionen, Bürgschaften, Kredite und Hypotheken errechnete man diesen Bedarf als gedeckt. Für das 1. Baujahr (1. April 1911 bis 31. März 1912) wurde eine ausgeglichene Bilanz mit 49000 Mark aufgestellt. Das 1. Rennjahr sollte vom 1. April 1912 bis zum 31. März 1913 dauern und wurde mit 156.000 Mark bilanziert.

Abb. 6. Die Herren Husaren gehörten zu den Besuchern, die auf der Galopprennbahn im Stadtwald vor dem 1. Weltkrieg gern gesehene Gäste waren.

Die detailliert und überzeugend argumentierende Denkschrift beeindruckte die Stadtverordneten-Versammlung, der Verwaltungsbericht verzeichnet den Beschluss zum Ankauf des Jentges’schen Geländes für den 20. April 1911. Am 26. April kam aus Berlin die Genehmigung des Rennbahnprojektes durch den preußischen Landwirtschaftsminister Clemens Freiherr von Schorlemer-Lieser. Kurz darauf, am 30. April, kam vom Union Klub aus Berlin die Genehmigung für fünf Renntage im Jahr 1912. Die Dynamik der Ereignisse, ein Ablauf „im Galopp“, führte schon am 5. Mai 1911 zur Gründung des „Crefelder Rennvereins.“ Zum Vorsitzenden wurde Rudolf Oetker gewählt, der das Amt bis zu seinem Tod am 30. Oktober 1930 innehatte. Sein Stellvertreter wurde Ernst Heydweiller, zu weiteren Vorstandsmitgliedern wurden gewählt:

Stadtverordneter Johannes Blum, Justizrat Dr. Hermann Drahten (Vorsitzender Verkehrsverein), Beigeordneter Dr. Ferdinand Freiherr von Hausen, Stadtbaurat Hubert Hentrich, Regierungsrat a.D. Dr. Wilhelm Jentges, Wilhelm Kappes, Oberleutnant Artur Lipken (2. Husaren-Regiment Nr. 11), Bankdirektor Alfred Molenaar, Architekt Heinrich Oedinger, Fabrikant Paul Oetker, Kaufmann Richard Pannes, Rittmeister Ernst von Stuckrad (2. Husaren-Regiment Nr. 11), Major von Websky, Kommandeur des 2. Husaren-Regiments Nr. 11.

Geschäftsführer wurde Paul Döring. Der gebürtige Thüringer, der den 1. Weltkrieg als Oberzahlmeister mitmachte, blieb in diesem Amt bis 1949. Sein Nachfolger Walter Busch war bis 1978 Geschäftsführer. In 67 Jahren nur zwei Geschäftsführer – das bedeutete Kontinuität und Solidität, die den Verein in dieser Zeit professionell und wirtschaftlich erfolgreich agieren ließ.

Paragraph 5 der Vereinssatzung bestimmte, dass der Vorstand aus 15 bis 20 Mitgliedern bestehen könne. Der Kommandeur des 2. Husaren Regiments Nr. 11, der Vorstand des Crefelder Reit- und Fahrvereins und der Oberbürgermeister sollten jeweils 3 benennen. „Der Vorsitzende des Crefelder Verkehrsvereins ist 10tes Mitglied“ hieß es weiter.

257.000 Mark waren bis zum Gründungstag zusammengekommen, und am 10. Juli 1911 wurde der Pachtvertrag zwischen Stadt und Rennverein unterzeichnet, der Kauf des Geländes ging voraus. Die Pachtzeit von zuerst 20 Jahren wurde 1922 um weitere 15 Jahre bis zum 31. März 1946 verlängert. So schnell man auch die Formalien löste, so sehr verzögerte sich doch die Bautätigkeit. Einen Rennbetrieb 1912 konnte es nicht geben, es gab zwischenzeitlich Verbesserungen und Änderungen der Pläne. Die Firma Heinrich Stein und Ferdinand Ziedorn (Köln) wurde mit der Bauleitung und der Ausführung der ganzen Anlage betraut, sie konnte die entsprechende Erfahrung bei Rennbahnbauten in Hamburg, Horst, Dortmund und Wiesbaden vorweisen. Als Architekt des Tribünenbaus wurde August Biebricher engagiert. Er hatte bereits 1906 die Tribünen für den Kaiserbesuch gebaut, erbaute etliche Geschäftshäuser, Industriegebäude und Wohnhäuser in Krefeld, unter anderem für Rudolf und Paul Oetker.

Abb. 7. Oberbürgermeister Dr. Johannes Johansen

Abb. 8. Oberbürgermeister Dr. Adalbert Oehler

Abb. 9. Rudolf Oetker, Vorsitzender des „Crefelder Rennvereins“ seit der Gründung bis 1930.

Zwei Wochen vor der Eröffnung der Krefelder Rennbahn erschien am 9. April 1913 in der „Krefelder Zeitung“ (Nr. 277) ein großer Text. Überschrieben mit „Ein fachliches Urteil über die Krefelder Rennbahn“ bezog man sich auf einen Aufsatz in der Fachzeitung „Sport Welt“, den man für ein .,hohes Lob“ hielt und der übernommen wurde. Es _fehlte im Westen nicht an Rennplätzen. wohl aber an guten Rennbahnen“ urteilte die Fachpresse.“ Man wusste wohl um die vorausgegangenen Probleme, die den Krefelder Rennsportenthusias-ten das Leben vor der Gründung des Rennvereins schwer gemacht hatten. „Eine Anlage vornehmen Stils“ sei entstanden. urteilte man, die in ihrer Art _in Deutschland überhaupt nicht übertroffen wird.“ Die Lage im Stadtwald, die Anfahrt und nicht zuletzt die Anlage der Bahn mit ihren Abmessungen werden gelobt. Weil es _eine landschaftlich schöner gelegene und renntechnisch besser angelegte Bahn in Deutschland nicht gibt“. denn die Bahn sei „wie ein schmuckes Spielzeug in einer Schachtel verpackt.“ Den Verantwortlichen wurde bescheinigt, „das NON PLUS ULTRA zustande gebracht“ zu haben. Für die Galopp-rennen habe die Bahn „die richtigen Dimensionen, wie man sie von einer mittelschweren Bahn verlangen kann“. also sei sie „der Idealtyp der so viel geforderten Mittelbahn.“

Abb. 10. Plan der Rennbahn im 1. Rennprogramm für den 11. Juni 1913 (Zeichnung von Stein und Ziedorn)

Fortsetzung folgt in der nächsten Heimat.

Quellen:
Statistisches Jahrbuch 1911 der Stadt Krefeld
Akten mit Schriftverkehr und Plänen:
STA KR 30/40
STA KR 4/159
STA KR 4/.
STA KR4/161
STA KR 4/577
Rennprogramme des Crefelder Rennvereins
Zeitgenossische Tageszeitungen
Chronik des Krefelder Reit- und Fahrvereins. PDF-Datei auf der Homepage des Vereins.


Seit 100 Jahren Pferderennen in Krefeld – eine Erfolgsgeschichte
Teil 2, erschienen in „Die Heimat“ 83/2012 Seite 132 bis 137

von Hans Dieter Peschken

Die Krefelder Galopprennbahn war zum 1. Renntag am 11. Juni 1913 auf dem 32 Hektar umfassenden Grundstück im Stadtwald fertig für den Rennbetrieb. Davon durfte sich Oberbürgermeister Johannes Johansen auf Einladung des Rennverein bereits am Vortag überzeugen. Jedenfalls waren Geläuf und die Tribünen in einem Zustand. den die Pferde für den sportlichen Wettkampf und die Besucher für das Vergnügen des Zuschauens brauchten. Man hatte eine 18 Meter breite Gras-Flachbahn angelegt, einen Kurs im Uhrzeigersinn, der eine 500 Meter lange Gerade aufwies. auf der die Pferde vor den Tribünen dem Ziel zustürmten. Daneben eine zehn Meter breite Trainierbahn, ebenfalls auf Gras wie die Hindernisbahn. die mit 18 Metern Breite zwei Diagonale und 12 feste Hindernisse aufwies. Die Sandtrainierbahn am äußeren Rand des Ovals war sechs Meter breit. Die zwei Tribünen und die beiden Totogebäude waren erst einmal die einzigen auf der Zuschauerseite errichteten Bauten. abgesehen von den zehn Sattelboxen. Gegenüber gab es ein Verwalterhaus. 60 Steinboxen und zwölf Holzboxen.

Beim sogenannten „Probetag“ am Mittwoch sahen die Zuschauer je drei Flachrennen und drei über Sprünge. Der „Preis vom Niederrhein“ war ein Jagdrennen für „Herrenreiter“ und ging über die Strecke von 4500 Meter. 16 Hindernisse lagen auf dem Weg zwischen Start und Ziel, den Ehrenpreis spendierte Rudolf Oetker. Der erste Sieger auf der Krefelder Bahn aber hieß „Granville“. Er kam als erstes Pferd nach 1400 Metern ins Ziel. Er war bei den Wettern Favorit und zahlte 22 Mark für zehn Mark Einsatz. Das Rennen war mit insgesamt 3.000 Mark dotiert, der „Neusser Reiterverein“ vergab den Ehrenpreis. Das „Crefelder Handicap“ war mit 7.000 Mark ausgeschrieben, davon zahlte die Stadt 5.000 Mark, das Andenken für den siegreichen Trainer spendete der Verkehrsverein. Im letzten Rennen des Tages gab es auf den Außenseiter „Sunbath“ 188 Mark auf Sieg.

Am 15. Juni, einem Sonntag, war dann der „große“ Eröffnungsrenntag mit zwei Flachrennen und fünf Rennen über Hindernisse. 8.000 Mark war das „Crefelder Hürdenhandicap“ wert, auch dazu kamen 5.000 Mark von der Stadt. Ein Rennprogramm für die ersten Renntage, mit „Rennen zu Crefeld“ überschrieben, kostete 30 Pfennige. Auf 24 Seiten des 1. Programmheftes inserierten Krefelder Firmen. Beide Renntage brachten einen Massenbesuch mit hohen Wettumsätzen und beachtlichen Einnahmen an Eintrittsgeldern. 22.400 Mark zahnen die Besucher am Wochentag, am Sonntag gar 34.750 Mark. In den sechs Rennen am Mittwoch registrierten die Wettkassen 265.500 Mark an Einsätzen, bei nur einem Rennen mehr wurden am Sonntag 338.225 Mark umgesetzt. Zu jener Zen betrug der durchschnittliche Jahresverdienst eines Industriearbeiters 1.456 Mark, ein Pkw mittlerer Qualität kostete 10.000 Mark. Ein Pfund Kaffee wurde in Anzeigen der Krefelder Tageszeitungen für 145 Pfennige angeboten. ein Ei für sechs, und zwei Heringe für 15 Pfennige.

Für die nächsten Renntage im Juli wurden in den Rennprogrammen Fahrpläne für Sonderzüge von Köln und Düsseldorf nach „Crefeld“ beigelegt oder abgedruckt, was angesichts des Erfolgs der Krefelder Rennbahn bei den Rennsportfreunden im Rheinland nötig schien. Der Krefelder Rennverein hatte sich mit den beiden ersten Renntagen auch sofort in der deutschen Galopprenn-Szene etabliert. In seiner Geschäftsstelle auf dem Neumarkt 2b konnten Wetten für 30 Rennbahnen abgeschlossen werden. Dieses Verfahren wurde von den deutschen Rennveranstaltern auf Gegenseitigkeit geübt.

Abb.1. Doppelseite aus dem 1. Programmheft des „Crefelder Rennvereins“ für das 1. Rennen am 11. Juni 1913 auf der Krefelder Rennbahn. Die startenden Pferde sind mit Namen, Alter und Abstammung und mit den zu tragenden Gewichten angegeben. Dazu Besitzer, deren Farben und die Trainer. Die Reiter jedoch nicht, sie konnten aktuell an aufgezogenen Tafeln entnommen, und von Hand nachgetragen werden. Die Bedingungen der Ausschreibung und die Dotierung sind an erster Stelle genannt.

Am Mittwoch, 11. Juni, hatte es am Vormittag geregnet, aber dann wurde es ein „nicht heißer, völlig regenloser Nachmittag“ wie die Krefelder Zeitungen berichteten. Und vom Renntag am Sonntag, 15. Juni, hieß es am anderen Tag in der Krefelder Presse: „Heiß sengte die Sonne vom wolkenlosen Himmel.“ Seitdem gilt eine „Bauernregel“ in Krefeld: „Wenn im Stadtwald Pferderennen sind, ist schönes Wetter.“ Offenbar hatte die Krefelder Rennbahn „die Sympathien der rheinisch-westfälischen Sportfreunde im Fluge gewonnen“, denn, so hieß es weiter, dass „größere Menschenmassen noch nie auf einer westdeutschen Bahn“ gesehen wurden.

Schon Tage vorher waren in den Krefelder Zeitungen Anzeigen mit Polizeiverordnungen erschienen, die auf die Verkehrsregelungen für An- und Abfahrt und für die Fußgängerwege hinwiesen. Doch was dann in den Stadtwald strömte, war nicht vorausgesehen worden. Die Staatsbahnen waren überfüllt, die Straßenbahnen mit 19.000 Personen alleine auf der Stadtwaldstrecke ebenfalls. Und so lasen die Krefelder anschließend in den Tageszeitungen von „erbärmlichen Verkehrsverhältnissen“, staubigen Wegen und einer überforderten Bewirtungsmannschaft.

Allen widrigen Umständen zum Trotz hatten die Krefelder Rennbahnbesucher sich herausgeputzt. Von „sehr viel Eleganz“ und einem „Damenflor. der die Tribünen oder die Rasenflächen mit seiner Anwesenheit verschönte“ berichtete die Presse. Der dritte Platz, damals noch ohne Tribüne, „glich aus der Ferne gesehen einer zusammengeballten, untrennbaren Masse.“ Offenbar wurden schon gleich bei der Premiere die Pferderennen im Stadtwald nicht nur als sportliche, sondern auch als gesellschaftliche Veranstaltungen gesehen und wahrgenommen. Die Krefelder wollten dabei sein und fanden die Bedeutung ihrer Stadt – 1913 hatte Krefeld 133.062 Einwohner – durch die Galopprennbahn aufgewertet. Schließlich hatten Sie mit dieser Anlage mit Düsseldorf gleichgezogen. Die Bahn auf dem Grafenberg war 1909 eröffnet worden, nachdem der 1844 gegründete „Reiter- und Rennverein“ zuvor auf einem Gelände auf den Rheinwiesen Rennen veranstaltet hatte. Dass die Krefelder Rennbahn auch die auswärtigen Rennsportfreunde anzog, hatte nicht nur mit der Lage zu tun. Wie die Aktiven auch, lobten die Wetter die faire Linienführung, die zu sportlich korrekten Ergebnissen führte.

Am 11. und 15. Juni wurde in der Königsburg zu einem Ball geladen, vor dem Stadtwaldhaus gar wurde nach einem Doppelkonzert ein „Brillantfeuerwerk“ abgebrannt. Nach dem Mittwochrenntag hatte es in der Gesellschaft Verein auf Einladung des Rennvereins ein großes Festmahl für geladene Gäste gegeben. 163 Personen standen auf der Teilnehmerliste, an den Kosten von 1.787,85 Mark beteiligte sich die Stadt mit 500 Mark. Oberbürgermeister Johannes Johansen sprach in seiner Rede von der „Lösung einer wichtigen städtischen Aufgabe“, die mit dem Betrieb der Galopprennbahn gelungen sei. Justizrat Dr. Hermann Drahten, Verkehrsverein. lobte alle. die zum ,.Gelingen des Werkes“ beigetragen hatten. darunter auch die Stadtverordneten. Doch die sollten, nach diesem Erfolg. für das nächste Jahr das zur Verfügung gestellte Preisgeld von 10000 Mark verdoppeln. forderte der Verwaltungsmann von den Politikern. Den Krefeldern, die nicht bei den Rennen im Stadtwald sein konnten, bot das Lichtspielhaus am Neumarkt schon am Abend die „Original-Aufnahmen der Eröffnungsrennen.“

Der preußische Minister für Landwirtschaft. Domänen und Forsten. Clemens Freiherr von Schorlemer-Lieser, konnte nicht teilnehmen. Er war bei den Berliner Feiern zum Thron-Jubiläum von Kaiser Wilhelm II., der seit 25 Jahren regierte, unabkömmlich. Den Kaiser feierte man auch in Krefeld. Am Montag. 16. Juni, wurden im Stadtwald ein Kinderfest und ein Abendfest organisiert. Damit gingen ereignisreiche zehn Tage im Stadtwald zu Ende, denn schon vom 6. bis 9. Juni erlebten die Krefelder die Jubelfeiern ihres Husaren-regiments. das sein Hundertjähriges beging. Für das Jahr 1913 bilanzierte der Rennverein im Geschäftsbericht einen Umsatz von 1.273.290 Mark. 1914 steigerte man sich auf 1.652.435 Mark. Waren 1913 noch 207 Pferde auf der Krefelder Bahn angetreten, so waren es ein Jahr später schon 251.

Auch auf der Krefelder Bahn verstärkte man die Maßnahmen gegen das „Buchmacher-Unwesen.“ Immer wieder versuchten Personen Wetten, meist gegen kleinere Einsätze, anzunehmen. Von anderen Rennbahnen kannte man die Versuche, die Wett-Umsätze der Veranstalter und der konzessionierten Buchmacher zu schmälern. Man behielt sich in Krefeld vor, Verdächtigen den Zutritt nicht zu gestatten.

Die Vereinsverantwortlichen um Rudolf Oetker sahen ihren Erfolg, aber sie wollten sich nicht darauf ausruhen. Das Wasserrohrnetz, das die ganze Bahn umzog, war für die Berieselung bei trockener Witterung gedacht. Allerdings reichte der Druck der städtischen Wasserleitung nicht aus. wie man gleich 1913 erkannte. Und schnell entschlossen handelte: Noch im selben Jahr wurde ein eigenes Wasserwerk gebaut, das 30.400 Mark kostete, aber nicht nur den Geläufzustand verbesserte, sondern auch die Betriebskosten niedriger hielt. Für 10.000 Mark kam später die von den Mannesmann Röhrenwerken in Düsseldorf hergestellte Berieselungsanlage hinzu. Mit ihren Weitstrahldüsen erfasste sie sämtliche Grasbahnen, was den rennfähigen Zustand auch bei Trockenheit garantierte. Ein elastischer Boden, der die empfindlichen Sehnen der Pferdebeine schont, vermochte die Pferdebesitzer zu überzeugen, ihre wertvollen Galopper im Stadtwald laufen zu lassen.

Abb. 2. Plan der Rennbahnanlage mit der Einzeichnung der Anfahrts- und Abfahrtswege. Die Hüttenallee war gesperrt für den Auto-Verkehr, damals durften jedoch noch Automobile durch den Wald fahren.

Schon 1914 wurde das Totogebäude für 10.000 Markvergrößert. Das Trainingsgelände wurde ebenfalls weiterbebaut. 1919 und 1922 kamen 60 Steinboxen hinzu und drei Trainerwohnungen, insgesamt legte man 80.000 Mark dafür aus. Der Trainingsbetrieb auf der Bahn vergrößerte sich, dafür wurde 1926 eine zweite Grastrainierbahn angelegt (zehn Meter Breite) und die Sandbahn mit scharfem Rheinsand aufgefüllt. 24.700 Mark kosteten diese Maßnahmen. Das Gestüt Rösler verlegte bereits 1926 seinen Rennstall von Düsseldorf nach Krefeld. Für die Trainingsbedingungen wurden immer von allen Trainern nicht nur die Bahnverhältnisse als ideal bezeichnet. Auch die Reitwege – etwa zwölf Kilometer im Stadtwald – kamen den Bedürfnissen der Vollblüter nach Ruhe und Entspannung entgegen, zumal noch extra zwei Kilometer vom Rennverein und vom Gartenbauamt angelegt wurden, die mit Sand aufgefüllt waren. Die elektrischen Startmaschinen mit den nach vorne oben schnellenden Bändern waren in Krefeld ab 1929 in Gebrauch. Das war eine Pionierleistung, erfolgte doch auf der Krefelder Bahn der erste Einsatz im Westen mit dieser Neuheit, die auch eine automatische Zeitmessung ermöglichte. Die Investition von 14.000 Mark war ein nicht mal so hoher Betrag, kostete doch ein neuer Motormäher, den man anschaffte, schon 11.500 Mark.

Für die Besucher wurde ebenfalls der Komfort vergrößert. 1921 wurde die Logentribüne gebaut, die sich kurz hinter dem Ziel befindet. „Ein Monumentalbau von seltener Schönheit, der ausschließlich der besseren Gesellschaft und der Damenwelt gewidmet ist“ berichtete die Fachpresse. In der Tribüne ist heute die Gaststätte „Derby“, deren Wirt Volko Herdick für Veranstaltungen und Feste auch die Räume unter der 1. und 2. Tribüne – Oetker-Saal und Biebricher-Saal – bewirtschaftet. An Tischen auf den darüber liegenden Tribünenrängen sitzend lassen sich die Rennen auch bei schlechter Witterung verfolgen, eine Verglasung wurde in den 1970ern hinzugefügt.

Auch die offene Tribüne auf dem Stehplatz wurde errichtet, ein Betonbau mit sieben, davon fünf offenen Achsen. Unten gab es einen Erfrischungsraum mit langer Theke. An zwei Außenseiten führte eine Treppe auf das mit einer Balustrade umgebene Dach. Von den treppenartig ansteigenden Stehplätzen auf dieser Dachterrasse ließ sich die Bahn zwar übersehen, man war jedoch weit vom Zieleinlauf entfernt. Natürlich, und das taten viele Besucher auch, konnte man sich genauso gut auf die Stufen setzen. Für den Bau der Tribüne war das Totohaus versetzt worden.

Abb. 3. Auf diesem „neuen“ Plan der „Crefelder Rennbahn“ im Rennprogramm für den 23. April 1922 sind erstmal die beiden Tribünen. die Logentribüne und die Stehplatztribüne, eingezeichnet.

Abb. 4. Blick von der Stehplatztribüne in Richtung Zieleinlauf. Deutlich zu sehen ist der trennende Zaun. der den Besuchern des 3. Platzes den Zutritt zu den anderen Bereichen verbot.

Abb. 5. Dieser Blick von der Stehplatztribüne über die Rennbahn zeigt die Weite der Bahn und auch die Ausdehnung des Stehplatzbereiches vor der Tribüne.

Die Stehplatz-Tribüne soll im Volksmund auch „Husarentribüne“ genannt worden sein, angeblich weil darauf die Husaren, die sich mit ihren Säbeln sowieso nicht hätten setzen können, standen. Aber gegen die Legende und den Namen spricht das Baujahr. 1922 wurden beide neuen Tribünen erstmals auf dem Plan im Rennprogramm zum 23. April eingezeichnet. Die Stehplatztribüne hatte in der zeitgenössischen Berichterstattung keinen besonderen Namen, auch die Dissertation von Ruth Fannei (1995) über August Biebricher benutzt nur die Bezeichnung Steh-platztribüne. Die Husaren waren zu der Zeit. als erstmals Zuschauer auf der Tribüne standen, längst nicht mehr in Krefeld. Sie kehrten nach dem 1. Weltkrieg (1914 — 1918) nicht mehr in ihre Garnison zurück, das Rheinland war entmilitarisierte Zone.

Die Eröffnung der Logentribüne feierte man zum Rennen am Pfingstsonntag, 4. Juni 1921. Seit 1994 ist die Stehplatztribüne nach gründlichem Umbau das Clubhaus des 1985 gegründeten Golfclubs Stadtwald. Beim Bau der Tribünen und bei der Umgestaltung der hinteren Tribünenareale – der Musikpavillon wurde aus dem vorderen Bereich hinter die Tribünen umgesetzt, ebenfalls die Sattelboxen wurden weiter nach hinten gerückt – war der Architekt Heinrich Oedinger helfend und bauherrenaufsichtlich tätig. Er war Ehrenmitglied des Krefelder Rennvereins.

Für den Renntag am 25. Juli 1913 fuhren Sonderzüge von „Cöln – Crefeld“ und „Düsseldorf – Crefeld.“ 1914 wurden bis zum 19. Juli vier Renntage durchgeführt, der 1. Weltkrieg begann am 1. August. Die sieben großen Rennvereine im „Kartell Westdeutscher Rennvereine“ durften im Herbst 1915 gemeinsam sechs Renntage abhalten, alle wurden für gemeinsame Rechnung in Neuss veranstaltet. Drei Renntage auf der Krefelder Bahn im Jahr 1916 waren kriegsbedingt nicht der Umfang, der es eigentlich sein sollte. Immerhin wurde für den Abend des 23. Juli nach den Rennen ein Künstlerkonzert“ im Krefelder Hof organisiert.

Abb. 6. Von der Stehplatztribüne aus zu sehen ist auch der gute Besuch auf den anderen Tribünen. Die Pferde, die dem Ziel entgegenlaufen, befinden sich auf der Hindernisbahn. Am oberen Bildrand ist der Start für die 1600 Meter zu erkennen.

Abb. 7. Prominenter Besuch am 12. September 1965 auf der Krefelder Rennbahn: Bundeskanzler Ludwig Erhard wird beschirmt von Oberbürgermeister Herbert van Hüllen. dahinter Oberstadtdirektor Hermann Steffens und ganz hinten links NRW-Ministerpräsident Franz Meyers. Ludwig Erhard übergab den Ehrenpreis zum Großen Preis der Stadt Krefeld. Nebenbei belegt dass Foto auch, dass Sonnenschein und Krefelder Rennen nicht zwingend zueinander gehörten.

Abb. 8. Die Inflation bestimmt 1923 die Höhe der Rennpreise.

Abb. 9. Der Plan d. Krefelder Architekturbüros Girmes und Oedinger von 1926 zeigt die Bauvorhaben im Trainingsbereich.

Mit ebenfalls drei Veranstaltungen 1917 war dann erst einmal das Ende des Rennbetriebes in Krefeld erreicht. Allerdings waren diese Renntage sportlich und finanziell erfolgreich. 1918 – insgesamt gab es nur 72 Renntage im ganzen Deutschen Reich – wurden wieder Gemeinschaftsveranstaltungen ausgeschrieben, die auf die Bahnen in Dortmund. Düsseldorf und Horst-Emscher verteilt wurden. Ähnlich wurde 1919 verfahren, im Westdeutschen Kartell wurden 14 Renntage für gemeinsame Rechnung genehmigt. davon bekam Horst-Emscher sechs, Düsseldorf und Dortmund bekamen je vier Termine. Endlich dann, am 2. Mai 1920, durften wieder Pferde über den Rasen der Stadtwald-Rennbahn galoppieren. Der Krefelder Rennverein bekam in diesem Jahr sechs Renntage zugesprochen, in den Jahren 1921/1923 je acht Tage.

In den Kriegsjahren hatte der Regierungspräsident verfügt, auf „Unterhaltung und Belustigung zu verzichten“, auch Musik war auf der Rennbahn verboten. Hohe Eintrittspreise sollten das Publikum vom Besuch abhalten, erwünscht waren nur an „Pferdezucht und Rennbetrieb“ interessierte Besucher. 1921 kostete der Eintritt in die Logen 50 Mark, für die 1. Tribüne waren 30 zu zahlen, für die 2. mussten 20 und für den Stehplatz 10 Mark bezahlt werden. Schon 1920 galten 10 Mark Mindesteinsatz für Wetten auf dem Stehplatz, und 20 für die 1. und zweite Tribüne. Die belgischen Besatzer beanspruchten die Rennbahn 1919 für zwei, und 1924 für drei Tage zur Abhaltung von Rennen und Turnieren.

Dass sich ab 1924 der Rennbetrieb mit jeweils zehn bis elf Tagen im Jahr belebte, verzeichnet die Jubiläumsschrift, aber auch, dass das finanzielle Ergebnis sank. Schließlich hatte Deutschland eine Inflation erlebt. Die Geschwindigkeit der Geldentwertung ist in den Rennprogrammen von1923 abzulesen. Zuerst war aufgedruckt, dass die Rennpreise in zweihundertfacher, dann in siebenhundertfacher Höhe ausgezahlt würden. „Die Rennpreise werden in der 3000-fachen Höhe der ausgeschriebenen Rennpreise gezahlt“ hieß es am 19. Juli. Das ergab in einem Rennen 16.500.000 Mark, dafür bekam man in New York gleichzeitig nicht mal 17 Dollar.

Die Renntermine auf der Krefelder Bahn wurden wieder zahlreicher. Sechs waren es 1924, sieben 1925, zehn 1927 und 1932 traf man sich zu etf Renntagen im Stadtwald, wobei die Saison am 20. März begann und am 20. November endete. 1932 und 1933 (zehn Renntage) verzeichnete man jeweils den höchsten Jahresdurchschnitt an teilnehmenden Pferden pro Rennen von allen deutschen Rennbahnen. Ein Rennprogramm kostete 1925 30 Pfennige. Wegen der schwierigen Wirtschaftslage hatte man die Eintrittspreise ermäßigt.

Die Jagdrennen über die schweren Hindernisse und durch den See waren beliebt. Der See war durch Aushub von Erdreich entstanden, das für die Aufschüttung vor den Tribünen verwendet wurde. Das Durchqueren des Sees wurde von den Zuschauern gerne gesehen. Oft genug wurde aber die bis dahin geltende Reihenfolge so durcheinander-gebracht, dass auch Favoriten hier „baden gingen.“ Über die Hindernisse gingen „Herrenreiter“ an den Start und im Programmheft vom 7. November 1927 ist zu lesen: „Ehemalige Offiziere reiten in Uniform.“ Stürze waren in diesem Metier nicht unüblich, für die Wetter boten sie ein erhöhtes Risiko. Das ließ sich mindern, wenn der Wetter 10 Prozent Aufschlag für eine Sturzversicherung zahlte. Wenn das gewettete Pferd wegen eines Sturzes nicht das Ziel erreichte, bekam der Wetter seinen Einsatz zurück.

Abb. 10. Über Jahre hinweg inserierte die in Berlin ansässige Firma C. Laurentius und Co. auf den Rückseiten der Programmhefte für ihre ,Rotsiegel-Krawatten.“ Die Inhaber waren gebürtige Krefelder, sie wussten natürlich, dass ihre Seidenprodukte auch in Krefeld Liebhaber fanden. Und nicht nur mit der Grafik von der Krefelder Tribünenanlage als immer wieder verendetem Motiv zeigte man die Verbundenheit mit dem Galopprennsport, man spendete auch Ehrenpreise.

1926 wurde das 500. Rennen in Krefeld gelaufen, am 11. Juli, am fünften von zehn Renntagen jenes Jahres. Am 20. März 1932 wurden nur Jagd- und Hindernisrennen veranstaltet. Bis heute unterscheiden sich die Rennen dadurch, dass Jagdrennen über feste Sprünge auf der Jagdbahn führen, für Hürdenrennen werden mobile Hürden auf der Flachbahn aufgestellt.

Im Jubiläumsjahr 1936 nannte der Rennverein in seiner Jubiläumsschrift „25 Jahre Krefelder Rennverein E.V.“ die Summe von rund 1.250.000 Mark als bis dahin geleistete Gesamtaufwendung „für die ganze Rennbahnanlage, so wie sie jetzt liegt und steht.“ Von der Stadt kamen für Grunderwerb und Wasserrohrnetz 424.000 Mark, der Rennverein beteiligte sich mit 824.000 Mark.

Johannes Noebels war ab 1. August 1921 Rennbahnverwalter und blieb es bis 1965. Ihm halfen in den Anfangsjahren ein Dutzend Mitarbeiter bei der Pflege des Geläufs und der Grünanlagen. Es mussten 7.9 Kilometer Hecke mit der Hand geschnitten und 48 Morgen Rasen gemäht werden. Hasen und Maulwürfe galt es zu jagen und zu vertreiben. Zentnerweise wurde jährlich eine von Noebels zusammengestellte Grassamenmischung ausgesät. Sorgfältig wurden immer wieder die von den Pferdehufen aufgerissenen Löcher verfüllt. In der Noebels-Küche machten die Aktiven des Trainingsbetriebes noch Ende der fünfziger Jahre ihre Frühstückspause, mit von Frau Noebels aufgebrühtem Kaffee. Unter den Gästen auch der legendäre Otto Schmidt. der als Jockey 2.218 Siege erzielte und der damals die Pferde des Gestüts Mydlinghoven trainierte. Auf Johannes Noebels folgte der ehemalige Hindernisjockey Günter Schirge als Verwalter, er beendete seine Arbeit 1984.

Überhaupt war die Arbeit im und für den Krefelder Rennverein in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens durch Kontinuität der Verantwortlichen ausgezeichnet. Rudolf Oetker, der Gründungsvorsitzende, blieb in diesem Amt bis zu seinem Tod am 30. Oktober 1930. Ein Jahr später bereits schrieb man ihm zur dauerhaften Erinnerung das „Rudolf-Oetker-Rennen“ aus. 1933 wurde eine von der Krefelder Bildhauerin Helene von Beckerath geschaffene Bronzebüste als Ehrenmal aufgestellt. Auf Rudolf Oetker folgte Dr. Wilhelm Jentges, der am 11. April 1937 verstarb. Major a. D. Max von der Leyen führte den Verein von 1937 bis 1945. Die Mitglieder-Versammlung fasste 1935 die Vereinssatzungen neu. nach dem jetzt opportunen „Führerprinzip.“ Der 1. Vorsitzende wurde zum Präsidenten. Von 1945 bis 1958 war dann Dr. Max Busch Vorsitzender, der schon Erfahrung als Präsidiumsmitglied aus den 1930er-Jahren mitbrachte.

Oberbürgermeister Dr. Aloys Heuyng war als Vertreter der Stadt Krefeld im Beirat. Er nahm auch die ihm angetragene Ehrenpräsidentschaft an -als „Ausnahme“, wie er am 27. April 1936 an Wilhelm Jentges schrieb. Im Beirat war auch, als Zeichen der Verbundenheit und Zusammenarbeit mit der NSDAP, Kreisleiter Erich Diestelkamp. Auf der Krefelder Rennbahn, während eines Renntages, wurde die „Neuordnung“ der Krefelder Verwaltungsspitze ausgehandelt. Beteiligt waren Ludwig Grauert, Staatssekretär im preußischen Ministerium des Inneren, der Düsseldorfer Regierungspräsident Carl-Christian Schmid und die Spitzen der Krefelder NSDAP. Mit Wirkung vom 9. Juli 1933 verlor Heinrich Hüpper das OB-Amt.

Abb. 11. Paul Döring, geboren 1878, war, Geschäftsführer des Krefelder Rennvereins von 1911 bis zu seinem Tod 1949

Auch die Geschäftsführung war für den Erfolg des Vereins maßgebend. Paul Döring, am 3. Juni 1878 geboren, war noch am 24. September 1910 zum Stadtsekretär in der Krefelder Stadtverwaltung befördert worden. Er war von Anbeginn dabei, im Ersten Wettkrieg wurde er als Oberzahlmeister eingesetzt. Bis zum Tod 1949 regelte er die Vereinsgeschäfte. Ihn ehrte der Verein 1935 durch ein Ehrendiplom und schenkte ihm ein wertvolles Ölgemälde. Walter Busch. der am 4. Januar 1913 geborene Sohn von Max Busch, übernahm dann das Amt des Geschäftsführers und konnte es bis 1978 erfolgreicM1 gestalten. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch keiner. dass nicht einmal 20 Jahre später (1997) der Rennverein Konkurs anmelden würde.

Fortsetzung folgt in der nächsten Heimat.

Quellen

Akten des Stadtarchivs Krefeld

STA KR 30/40
STA KR 4/159
STA KR 4/160
STA KR 4/161
STA KR 4/577

F 1063 (Rennprogramme 1913 bis 1933)

Verwaltungsberichte der Stadt Krefeld, 1911 bis 1933

Album des Deutschen Rennsports, 1958

Presse-Ausschnittsammlung Krefelder Rennverein, 1216

Ruth Fannei, August Biebricher. Leben und Werk des Baumeisters, Düsseldorf 1995

Dissertation, Typoskript, Stadtarchiv N – 00506

Plaudereien über die Krawatte, Gestaltung und Essay: Hermann Marten August Max Freiherr von Eeelking. Herausgegeben von der Rotsiegel-Krawattenfabrik C. Lau-rentius B. Co., Berlin 1937

Fotosammlung des Stadtarchivs (Repro Stephanie Zimmermann)



100 Jahre Krefelder Galopp-Rennbahn im Stadtwald
Ein Denkmal mit lebendem Inventar

Teil 3, erschienen in „Die Heimat“ 84/2013 173-178

von Hans Dieter Peschken

Der „Krefelder Rennverein“ ist tot — es lebe der „Krefelder Rennclub.“ So hieß es 1997, und es sah in diesem Jahr erst einmal nicht so aus, als ob es 2013 dazu kommen würde, in Krefeld 100 Jahre Galopprennen auf der Bahn im Stadtwald zu feiern. Am 19. Dezember 1997 hatte sich der „Krefelder Rennclub 1997 e.V.“ etabliert, denn der 1911 gegründete „Krefelder Rennverein“ hatte Insolvenz anmelden müssen. Die bis dahin seit dem ersten Nachkriegsrennjahr vergangenen 50 Jahre waren nicht so erfolgreich verlaufen wie die Jahrzehnte zuvor.

Dabei hatte es 1947 so vielversprechend begonnen: Im Krieg war natürlich ein ordentlicher Rennbetrieb nicht möglich gewesen, 1940 wurden vier Renntage organisiert, 1942 sogar 16, davon waren aber zwei für Mühlheim-Raffelberg und vier für Horst-Emscher übernommene Veranstaltungen. 1943 trafen Bombenabwürfe die Krefelder Rennbahn, Tribünen und Geläuf wurden arg beschädigt. 1947, am 20. Juli, gelang die Wiedereröffnung nach fünfjähriger Pause mit spektakulärem Besucheransturm. Verkehrs-AG, die K-Bahn aus Düsseldorf, Omnibusse und der Schluff aus dem Umland schafften die Menschen heran, die gesamte hiesige Polizei war zur Regelung des Verkehrs eingesetzt. Die niedrigsten Zählungen nennen 25 000 — 30 000 Besucher. Dass die „drei wiederhergestellten Tribünen nicht alle Karteninhaber von Sitzplätzen fassen konnten“, berichtete die Rheinische Post am 23. Juli. Für zehn Reichsmark und Marken bekam man ein „belegtes weißes Brötchen“, andere Bedürfnisse befriedigten die „von der Obrigkeit übersehenen“ Schwarzhändler. „Eine geschickte Rennleitung besorgte den reibungslosen Ablauf des sportlichen Programms sowie einen Rahmen, den man nach den großen Kriegsschäden wohl kaum vermutet hätte“, resümierte die RP.

Vor allem die Rennpreise ließen so kurz nach dem Krieg verwundern. Der „Preis von Krefeld“, der über 1 400 Meter ging, war mit 30 000 Reichsmark dotiert, einen Ehrenpreis spendierte die Stadt. Sieger war der dreijährige Hengst „Oberst“, der von Jupp van der Vlugt geritten wurde. Gleich drei Sieger in einem Rennen mussten sich am letzten Novemberrenntag 1947 die Geldpreise teilen. Im „Uerdinger Jagdrennen“ waren drei Pferde im Ziel nicht zu unterscheiden, so dass auf „totes Rennen“ erkannt wurde. Für das Rennjahr 1947 zog die RP am 31. Dezember eine kurze Bilanz: Auf den Rennbahnen, die zum „Kartell der Westdeutschen Rennbahnen“ gehörten, starteten 2.503 Pferde in 3 337 Rennen, sie bewarben sich um 5.172.000 Reichsmark, die an Geldpreisen zu verdienen waren. Krefeld stand dabei, nach Düsseldorf, an zweiter Stelle: 802.000 Mark waren an Geldpreisen ausgeschrieben, sie wurden an sieben Renntagen mit 49 Rennen an die Sieger und Platzierten unter den 415 Startern verteilt.

Zwei Jahre später, also 1949, endete für den Krefelder Rennverein ein erfolgreicher Abschnitt im Vereinsmanagement. Paul Döring, geboren 1878, Geschäftsführer seit Gründung des Vereins 1911, verstarb in diesem Jahr. Seit 1945 war bereits Dr. Max Busch Vorsitzender des Vereins, der das Amt von Max von der Leyen übernommen hatte. Bis 1958 führte Max Busch den Verein umsichtig und sorgte für gediegene Verhältnisse. Nachfolger wurde 1958 Ludwig Goebels, der in Krefeld „Dujardin“ repräsentierte. Die Weinbrennerei aus Uerdingen engagierte sich als Sponsor eines Jagdrennens, das als „Derby der Steepler“ in Deutschland einen guten Ruf genoss. Die Familie Goebels unterstützte den Krefelder Rennverein mit großzügigem Sponsoring von Rennpreisen, und Walter Goebels, der mit 88 Jahren 1996 starb, vermachte dem Rennverein in seinem Testament 100.000 Mark.

Max Busch war noch zum Ehrenvorsitzenden ernannt worden, kurz vor dem 79. Geburtstag starb er 1959. Sein Sohn Walter Busch hatte die Nachfolge von Paul Döring angetreten, er begann mit einer Modernisierung der Bahn, um sie den aktuellen Bedürfnissen der Aktiven und der Besucher anzupassen. Bildschirmübertragungen erleichterten ab 1966 das Verfolgen der Rennen auch hinter den Tribünen. Im selben Jahr führte man die Startboxen ein, die an die jeweilige Startstelle gerollt werden können. Sie ersetzten den Bänderstart mit den sogenannten „australischen Startmaschinen.“ Diese fest installierten Einrichtungen besaßen ein schräg nach vorne oben hochschnellendes breites Band. Dahinter hatten die Jockeys zuvor versucht, ihre Pferde in gerader Linie auszurichten, was jedoch nicht immer so gelang, dass alle Teilnehmer gleichzeitig absprangen. Die neuen Boxen erleichterten den chancengleichen Start, bis heute mag jedoch nicht jedes Pferd ohne Zwang darin einrücken, was zu Problemen bis hin zu Startverzögerungen und Startverweisungen führen kann.
In einigen Jahren kamen Besucherscharen in den Stadtwald, wie man sie heute gerne wieder sähe. Zum 50jährigen der Galopprennbahn, also im September 1963, wurden 14.000 Besucher beim Jubiläumsrennen gesehen. Den „Großen Preis der Samt- und Seidenstadt“ gewann „Optikus“ unter Gerhard Streit, einem Jockey, der 1914 geboren und damit nur ein Jahr jünger als die Krefelder Rennbahn war. Am 27. September 1971 zählte man 12.000 Besucher auf den vier Tribünen und den Grünflächen davor, das „Ratibor-Rennen“ und der „Große Preis von Krefeld“ waren es, die sie angezogen hatten. Vielleicht aber auch der neue Kinderspielplatz mit Rutsche, Schaukel und Wippe, der die Familienfreundlichkeit steigerte. Die verbesserte Aufenthaltsqualität führte auch zu höheren Wettumsätzen, die Steigerung lag bei 29 Prozent, und man bilanzierte am Jahresende fast 5 Millionen Mark.

Abb. 1. Walter Busch

Abb. 2. Lageplan Krefelder Rennbahn

Nicht immer bereiteten die Wettumsätze d Verantwortlichen Vergnügen. 1969 wurde Verlust von 82 632,94 Mark ausgewiesen die Stadt half mit einem Zuschuss von 90 Mark. Anderenorts, wie in Köln, versuchte man das Publikum mit Spektakel anzulocken — mit Kamelrennen. Walter Busch lehnte das für Krefeld ab: „Bei uns steht das Pferd Mittelpunkt.“ Von Aufsehen und Skandalen blieb Krefeld nicht verschont, 1969 wunderten sich die Besucher, weil ein siegreich Jockey vom Besitzer des Pferdes geschlagen wurde.
Walter Busch konnte 1972 auf 25 Jahre Geschäftsführertätigkeit zurückblicken, er war seit 1969 auch Geschäftsführer der „Arbeitsgemeinschaft Westdeutscher Rennvereine.“ Bis 1978, als er 65 Jahre alt geworden war, blieb er verantwortlich und schied hoch geehrt aus. Sein Nachfolger wurde a 1. Juli 1978 Bernd-Rüdiger Gossens, der 1993 nach Querelen den Posten verlassen musste. Mit seinen Nachfolgern, Micha Renz und Jan Büschgens, die beide nicht lange in ihrer Funktion verblieben, war dem Rennverein leider keine kontinuierliche Arbeit beschieden. Auch Dietrich von Mutius konnte sich nur kurzzeitig um die Geschäfte kümmern. 1980 wurde auf der Krefelder Bahn der Elektronentoto eingeführt, der nicht n1 für die Wetter schnellere Abläufe beim A1 legen der Wetten brachte, sondern auch d Quoten schneller errechnete. Bereits SE 1970 war Jochen P. Wirichs Vorsitzender des Rennvereins, er blieb es bis 1992, als Dr. Dieter Gobbers ihn in diesem Amt ablöste.

Ein rühmliches, wenn auch letztlich in seinen finanziellen Auswirkungen nicht glückliches Kapitel in der Geschichte der Krefelder Rennbahn wurde durch die Sanierung der Tribünen und der Stallgebäude im Trainingsbereich geschrieben. 1988 wurden erste Umbaumaßnahmen angegangen. Mitte der 90er-Jahre leitete Architekt Klaus Reymann die Restaurierung der Biebricher Bauten. Ein Richtfest feierte man 199 nach langer Schließung wurde am 23. April 1995 der Eröffnungsrenntag veranstaltet. Bei einer feierlichen „Unesco-Gala“ waren Ute Ohoven und Dietrich Genscher dabei. Oberbürgermeister Dieter Pützhofen redete. Kultusminister Hans Schwier überbrachte die Grüße des Schirmherren Johannes Rau. Und Architekt Klaus Reymann sagte: „Eine Stadt, die ihre Denkmäler vergisst, verliert ihre Geschichte.“

15.000 Besucher sorgten für einen hohen Wettumsatz und ein Verkehrschaos. Die Kosten der Sanierung beliefen sich auf 24 Millionen Mark, die Stadt Krefeld, das Land NRW und der Rennverein beteiligten sich. Weit über eine Million Mark an Spenden sammelte Klaus Reymann bei Firmen und Privatiers ein, die von ihm inspirierte und bis heute geleitete Krefelder Baudenkmal-Stiftung wurde anschließend am 10. August 1995 gegründet. Für die Restaurierung der Rennbahn gab es den „Deutschen Preis für Denkmalschutz.“

Abb. 3. Seejagd-Rennen

Abb. 4. Logos des Krefelder Rennvereins.

Wie anderenorts auch, hatte die Krefelder Galopprennbahn eine neue, aber ganz andere, sportliche Dimension bereits früher hinzu bekommen. Am 8. Mai 1985 gründete sich der „Golfclub Stadtwald“, der am 8. November 1988 eine Neun-Loch-Anlage mit einer Spielbahnlänge von 5 072 Metern eröffnen konnte. 1995 nahmen die Mitglieder dann das Clubhaus in Betrieb, das aus der alten Stehplatz-Tribüne — nicht „Husaren-tribüne“ — entstanden war. Auf dieser Tribüne hatten niemals die kaiserlichen Husaren gestanden, denn sie wurde zu Beginn der Zwanziger gebaut, da lebte weder ein Kaiser in Berlin, noch waren Husaren in Krefeld stationiert.

Gab es auch zuerst Bedenken, ob Golfspieler und der tägliche Trainingsbetrieb für Galopprennpferde miteinander vereinbar wären, so ist davon heute keine Rede mehr. Der Golfclub teilt sich mit der Krefelder Bau GmbH die Pflege des Grüns innerhalb des Bahnovals, wobei der Golfclub nicht für die von den Rennpferden genutzten Bereiche zuständig ist. Die Anlage hinter den Tribünen wird von der Stadt gepflegt, die ja auch Eigentümer der Tribünen ist und die Gebäude an Renntagen dem Rennclub überlässt. Die Säle innerhalb der Tribünen bewirtschaftet Volko Herdick, der in der Logentribüne das Restaurant Derby betreibt. Für Hochzeiten, Abi-Feiern und andere Events mit hoher Gästezahl vermietet und bewirtschaftet er die Räume in den beiden Tribünen. Sein Vorgänger Klaus Rudolph war nicht nur für die gastronomischen Angebote bekannt, seine von ihm veranstalteten Konzerte mit internationalen Show-Stars — Eric Burdon, Klaus Doldinger, Peter Kraus u.a. — zogen immer wieder auch auswärtige Besucher an. Er hörte auf, weil er nach Bayern zog, um in der Heimat seiner Frau ein Hotel zu führen.

In den Jahrzehnten zuvor war die Gastronomie-Bewirtschaftung nicht immer in glücklichen Händen. So beendeten „Richters auf der Rennbahn“ ihr Engagement mit einem hohen Schuldenberg. Es wechselten Gastronomie-Betreiber, unzureichende Angebote und unprofessioneller Umgang mit Gästen an den Renntagen schadeten dem Ruf der Rennbahn und ließen auch Besucher der Galopprennen unzufrieden sein mit der Aufenthaltsqualität.

Noch eine Sportart suchte sich das Rennbahngelände für einen Höhepunkt aus. 1990 richtete hier der noch junge Verein „Krétanque 88″ die Deutsche Meisterschaft (Doublette) in Petanque aus. Und als idealer Veranstaltungsort erwies sich die Rennbahn als sommerliches Open-Air-Kino. Die Zuschauer auf der 1. Tribüne haben einen ungestörten Blick auf die aufblasbare Projektionswand und sitzen bequem und sogar regengeschützt. In der diesjährigen Sommersaison besuchten so viele Filmfreunde, auch von außerhalb kommend, wie nie zuvor das Kino im Grünen.

Bereits 1950 wurden im Krefelder Trainingsquartier 100 Pferde betreut, wenn auch später die Zahl mal niedriger wurde, so waren es doch immer mehr als 80 Vollblüter, die hier auf ihre Rennen vorbereitet wurden. Große Namen darunter, die für die Ställe mit den noch größeren Namen die wichtigen Rennen auf den Westdeutschen Bahnen, aber auch in der gesamten Bundesrepublik und im Ausland gewannen. Für das Gestüt Rösler, zuerst von Max Schmidt trainiert, siegte 1951 und 1952 „Avelan“, ein talentierter Steepler in wichtigen Jagdrennen, darunter war auch der „Große Preis von Meran.“ Die Stute „Liebesmahl“ erwies sich 1953 in klassischen Rennen als unschlagbar, sie gewann das „Union-Rennen“, die „Goldene Peitsche“, das „Schwarzgold-Rennen“ sowie den „Deutschen Stutenpreis.“ 1954 stand mit „Blumenprinz“ ein Crack im Krefelder Rösler-Stall, der zwar das „Union-Rennen“ gewinnen konnte, im „Deutschen Derby“ in Hamburg jedoch nur Zweiter wurde. Ein Derbysieg blieb auch „Liebeslied“ versagt, als Zweijährige siegte sie 1955 im „Oppenheim-Rennen“, im „Zukunftsrennen“ sowie im „Preis des Winterfavoriten“ und im „Ratibor-Rennen.“ Verdiente die Stute damit schon 51.500 Mark, so steigerte sie ihre Gewinnsumme 1956 mit mehreren Siegen auf 61.500 Mark.

Ein ähnlicher Großverdiener war 1956 der Stallgefährte „Bernardus“, der nur 100 Mark weniger eingaloppierte. Das Gestüt Mydlinghoven ließ ebenfalls in Krefeld trainieren, „Feuerball“ gewann sogar in Ostende und die „Copenhagen Champion Stakes“. Seine großen Jahre waren 1956 und 1957. Aber legendär gewordene Sieger wurden auch in kleineren Ställen vorbereitet, wie dem von Public-Trainer Fritz Landler. Ältere Rennbahnbesucher erinnern sich gerne an „Pfalzteufel“, der 1958 unter anderem das „Paul-Döring-Rennen“ in Krefeld gewann und das „Henkel-Rennen“ in Düsseldorf. 1959 gewann er den „Großen Preis von Düsseldorf“ und verdiente in drei Rennjahre 105.400 Mark. Der erste in Krefeld vorbereitete Derbysieger war 1960 „Alarich“, den Max Schmidt für Rösler trainierte und der von Paul Fuchs geritten wurde.

Das Gestüt Rösler machte sich auch mit den Erfolgen seiner anderen Pferde bundesweit einen Namen und bewies die Qualität der Krefelder Rennbahn als Trainingszentrale mit zwei Besitzer-Championaten: 1953 und 1951 stand man an der Spitze in der Bundesrepublik-Statistik. In jenen Jahren war Herber Cohn Hindernisreiter am Stall, ihm gelang als Trainer für Rösler der zweite Derbyerfolg „Lauscher“ unter Dave Richardson — de gebürtige Engländer verbringt seinen Ruhe stand in Krefeld — gewann in Hamburg 1971 das Deutsche Derby.
Erst 2012 sollte ein dritter Sieg im wichtigsten deutschen Zuchtrennen für dreijährige Stuten und Hengste Krefeld wieder in den Blickpunkt der deutschen Pferdefreunde rücken. Mario Hofer, seit 1993 in Krefeld als Public-Trainer tätig, hatte „Pastorius“ auf den Tag genau vorbereitet. Terry Hellier steuerte den Hengst aus dem Besitz des Stalles Antanando mit dem in Krefeld geschichtsträchtigen Namen zum Sieg.

Mario Hofer, 1956 in Österreich geboren gehört Jahr für Jahr zu den erfolgreichste‘ Trainern Deutschlands und lobt jederzeit gerne die Krefelder Trainingsbedingungen. 2012 verdienten seine Pferde, die er oft auch in Frankreich an den Start schickte, 1.673.527 Euro bei 58 Siegen und 180 Platzierungen. Tochter Steffi Hofer, erst 26 Jahre alt, wuchs auf der Krefelder Rennbahn auf, war 2005 um 2007 Championesse der Amateurreiterinnen und hat danach seit ihrem Wechsel ins Profi Lager drei Lehrlings-Championate erreicht und mittlerweile schon mehr als 300 Siege erzielt.

Abb. 5. „Pastorius“, der in Krefeld trainierte Derbysieger des Jahres 2012, wurde dem Krefelder Publikum am 8. Juli 2012 vorgestellt. Im Oktober 2013 wurde bekannt, dass der Krefelder Derbysieger Pastorius aufgrund einer Fissur seine Rennlaufbahn beendet. Er wird im Gestüt Fährhof seine neue Karriere als Deckhengst beginnen.

Noch heute bekannte Namen in der deutschen Galopprennszene sind die des bereits erwähnten Max Schmidt, der nach der Jockeykarriere das Gestüt Rösler trainierte und 1961 mit 57 Jahren starb. Otto Schmidt (1896 —1964) war als Jockey mit 2.218 Siegen legendär, gewann siebenmal das „Deutsche Derby“ und trainierte in den Fünfzigern im Stadtwald das Gestüt Mydlinghoven. Fritz Fösten wurde sein Nachfolger.

Erika Mäder war im Oktober 1989 nach Krefeld gekommen, der für sie gebaute Stall wurde im März 1990 eingeweiht. Für seinen Bau waren etliche Bäume — 16 Eichen, eine Linde und eine Ulme sollen es gewesen sein —gefällt worden, was über Jahre hin als Skandal („Waldfrevel“) empfunden wurde, zumal keine Ersatzzahlungen — 900 000 Mark standen offen — geleistet wurden. Als Jockey hatte Erika Mäder ihren ebenfalls aus der DDR stammenden Ehemann Lutz Mäder mitgebracht. Aus der DDR stammte auch Friedrich Müller, der sich als Trainer für einige Jahre in Krefeld etablierte, zu ihm stieß der ebenfalls aus der DDR — er ritt dort 1972 den Derbysieger — stammende Jockey Klaus Neuhaus, der seinen Ruhestand in Krefeld genießt und nach seiner Reiter-Karriere vielen Krefelder Rennbahnbesuchern als Führer und Erläuterer des Renntag-Geschehens bekannt wurde. Neben Mäder und Hofer trainiert auch Hans Blume seine Pferde im Stadtwald, über 100 Vollblüter stehen in den Ställen des Trainer-Trios.

Zu den Trainern, die in Krefeld arbeiteten, gehörte auch Josef Kappel, ehemaliger Jockey, der mit seiner Frau Marie-Luise, vorher als Amateurreiterin erfolgreich, einige Jahre einen größeren Trainingsbetrieb unterhielt. Manfred Ramminger, der Krefelder Architekt, der eine Sidewinder-Rakete nach Moskau schickte, ließ seine Pferde von Kappel trainieren.

Rudi Hinterberger etablierte sich, nach erfolgreicher Karriere als Hindernis-Jockey, als Trainer in Krefeld, Wilhelm Schulz betreute über Jahre ein übersichtliches Lot, unter anderem für die Krefelder Besitzer Wüstenberg (Pelze) und Fritz Kohl (Hauderer). Max Lehmann war zwar ein Krefelder Trainer, der seine Pferde auf der Rennbahn vorbereitete, aber immer mit ihnen aus dem Stallgebäude in Verberg an der Gatzenstraße (heute Reitstall Hubertus) einen weiten Weg zur Arbeit hatte. Nach der Gründung des Rennclubs und der Neuordnung der Besitzverhältnisse ist jetzt die Krefelder Bau GmbH Vermieterin der Gebäude im Trainingsbereich, zu denen nicht nur Stallboxen, sondern auch Wohnungen gehören.

Einer der schlimmen Momente auf der Krefelder Rennbahn war der Sturz von Harro Remmert beim „Dr.-Busch-Memorial“ am 26. April 1976. Gleich nach dem Start lief sein Pferd aus der Bahn und prallte in Nähe der Stallungen gegen einen Baum. Harro Remmert überlebte mit einer Querschnittslähmung, die ihn an den Rollstuhl fesselte. Trotz dieser Behinderung war er noch Jahrzehnte bis 2002 als Trainer mit über 11 Siegen erfolgreich.

Ein prominenter Besucher der Krefelder Rennbahn war 1958 Innenminister Gerhard Schröder. Er überreichte den Ehrenpreis im „Preis der Diana“, der statt in Mülheim „leihweise“ in Krefeld ausgetragen wurde. Die Stute „Meraviglia“ aus dem Gestüt Waldfried war die Siegerin, Besitzer Uwe Scherping und Ehefrau nahmen als Ehrenpreis ein Service entgegen. Schon 1954 war die Krefelder Rennbahn Gastgeberin für klassisches Rennen. Dortmund sah sich aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, das „St. Leger“ zu veranstalten. Damals noch für Dreijährige als Überprüfung des Derbyergebnisses ausgeschrieben, wurde es am 20. September von „Narras“ aus dem Gestüt Niederrhein unter Walter Held gewonnen. Walter Scheel, Ex-Bundespräsident, kam 1982 als Präsident des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen auf die Stadtwaldbahn. 1989 war er ebenfalls hier, zusammen mit den Schauspielern Margot Hielscher, Thomas Fritsch, die damals in „Rivalen der Rennbahn“, einer Fernsehserie, den Galopprennsport populär machen sollten.

Zu den deutschen Spitzen-Jockeys, die auf der Krefelder Rennbahn bei Trainern oder Rennställen angestellt waren und auch in Krefeld lebten, gehörten Hans Hiller, Joan Pall und Peter Alafi. 1991 wurde der gebürtige Ungar Alafi, der als erster mit extrem kurz geschnallten Bügeln auffiel, zum Krefelder Sportler des Jahres gewählt. Alafi errang mehrere deutsche Championate, saß auf über 2.300 Siegern starb am 20. August 2012 in Krefeld. 1992 ritt Lester Piggott, eine englische Jockey-Leg de, auf der Krefelder Rennbahn beim „Busch-Memorial“, das er aber nicht gewinnen konnte. Mehr als eine Million Mark ging an diesem Tag durch die Toto-Kassen.

Eine die deutsche Galopprennszene überragende Figur ist Peter Schiergen (48) geworden. Auf der Krefelder Rennbahn hatte der aus einer Krefelder Reiterfamilie stammend seine Profi-Karriere 1981 mit einer Lehre bei Herbert Cohn begonnen. Bereits im März 1982 gelang ihm der erste Sieg, 1.451 als Jockey, einschließlich eines Europarekords 1995 mit 273 Siegen, folgten. Seit 1998 ist er Trainer in Köln, gewann mehrere Derbys. 2013 mit „Lucky Speed.“ Schiergen trainierte auch das erfolgreichste deutsche Reitpferd aller Zeiten, die Stute „Danedream“. Sie siegte in Paris und Ascot, wo Schiergen mit der englischen Queen plauderte, legte weltweit Ehre für den deutschen Reitsport ein. Natürlich ist Peter Schiergen auch dabei, wenn auf der Krefelder Bahn seine Pferde starten oder seine Söhne Vincenz und Dennis als Amateure reiten.

Abb. 6. Peter Schiergen, zur Zeit erfolgreichster deutscher Trainer zu Besuch auf seiner Krefelder „Heimatbahn“, auf der er den Jockeyberuf lernte.

Die Veranstaltung von Galopprennen war in Krefeld — wie aber auch anderswo — mit viel Aufwand, mit einem hohen Engagement der ehrenamtlich tätigen Verantwortlichen verbunden. Die Einnahmen durch das Wettgeschäft sicherten längst nicht mehr die Existenz. Unterhalt der Bahn, Personalkosten und sinkender Umsatz machten Kalkulation und Planung schwierig. In den ersten sieben Monaten des Jahres 1989 bilanzierte man einen Verlust von 127.537,28 Mark, diese Summe addierte sich zu den Verlusten aus den Vorjahren. Nicht ausschlaggebend für die Situation des Rennvereins war der Diebstahl von 93.000 Mark, die im Juli 1981 aus dem Hauptkassenraum bereits vor dem Beginn der Rennen verschwanden. Es gab Ende 1985 bereits Überlegungen Konkurs anzumelden, ein prominentes Vorstandsmitglied wollte bei 1, 5 Millionen Mark Schulden nicht mehr im Vereinsvorstand tätig sein. Die langfristigen Bankschulden wurden am 30. November 1987 mit 999.219,04 Mark benannt, die kurzfristigen Schulden betrugen 365.578,62 Mark, 194.613,39 Mark standen als Verbindlichkeiten an. Der Regierungspräsident untersagte bereits im August 1987 der Stadt, eine Bürgschaft in Höhe von 300.000 Mark für ein Sparkassendarlehen zu übernehmen. Zum Ende der Rennsaison 1986 berichtete Klaus Göntzsche in der „Welt“ über die Lage des Krefelder Rennvereins. Der Sekretärin sei gekündigt worden, die Belegschaft der Rennbahnarbeiter sei von zehn auf zwei reduziert und einen Rennbahnverwalter gäbe es schon lange nicht mehr. Günter Schirge, ehemaliger Hindernis-Jockey, hatte dieses Amt einige Jahre erfolgreich ausgeübt. 1989 liehen Jochen Wirichs und Erhorn dem Verein jeweils 10000 Mark, die Wettannahme an der Rheinstraße wurde 1990 geschlossen. Seit 1950 hatte der Rennverein eine Geschäftsstelle und eine Wettannahme an der Rheinstraße 39 unterhalten. Eine Verpachtung der Wettannahme erwies sich nicht als erfolgreich.

1991 empfand der Vorstand den Verein als konsolidiert, nachdem die Stadt Krefeld dem Rennverein drei Tribünen für 1,5 Millionen Mark abgekauft hatte. Aus einem zusätzlichen Gebäude mit 380 Quadratmetern Nutzfläche für Verwaltungsräume und renntechnische Funktionen, das hinter den Tribünen errichtet werden sollte, ist nie etwas geworden. Der Denkmalschutz sprach dagegen, auch war die Finanzierung nicht gesichert. Öffentlichkeitswirksam hatte man Oberbürgermeister Willi Wahl dazu bewegen können, am 16. November 1991 den ersten Spatenstich zu tun.

Den „Stadtwald vor Zocker-Lobby“ zu schützen, forderte man in Leserbriefen an die Krefelder Presse 1990. Gemeint war damit der Wunsch des Rennvereins, weiterhin bei Renntagen auf Wiesen im Wald nahe der Rennbahn Parkplätze zu genehmigen. Umsatzverluste beklagte der Verein durch Sperrung der Wiesen, man begann mit Versuchen, auf der Nordtangente parken zu lassen. Bis heute können hier Autos für die Dauer der Veranstaltung abgestellt werden.

Ab November 1996 deutete sich das finanzielle Ende des Rennvereins immer konkreter an. Seit Wochen waren keine Rennpreise mehr überwiesen worden, der jährliche Schuldendienst wurde mit 374000 Mark beziffert. Ende 1996 wurden Gehälter verspätet ausgezahlt, und der Vorstand geriet in immer größere Schwierigkeiten. Oberbürgermeister Dieter Pützhofen, als Repräsentant der Stadt „geborenes“ Vorstandsmitglied, distanzierte sich und stellte fest, dass er an der Vorstandsarbeit nie teilgenommen hatte. Ein „Vereinsrettung“ — also Konsolidierung durch Übernahme der Schulden aus öffentlichen Mitteln — lehnte der Stadtrat ab, nachdem sich CDU-Abgeordnete bei der Abstimmung nicht so verhalten hatten, wie von ihnen erwartet worden war. Veröffentlichte Meinungen warnten davor, dass „der Steuerzahler nicht für Schlampereien eines Vereinsvorstandes bezahlen sollte.“

Die Repräsentanten der Stadt wollten auch nicht bei der Ehrenpreisübergabe für den im Oktober 1996 gelaufenen „Preis von Krefeld“ auftreten. Im Oktober kündete der Vorstand seinen Rücktritt an, „Gobbers räumt den Chefsessel“ stand in der Krefelder Presse. Jeder Renntag in diesem Jahr brachte ein Minus von 50000 Mark. Dr. Gobbers wehrte sich im Dezember 1997 gegen Pressedarstellungen und unfeine Bezeichnungen, aber dass der Rennverein in Insolvenz ging, war nicht mehr zu verhindern. Den Rettungs-Versuch hatte man im Mai 1997 unternommen, als sich auf Anregung von Oberbürgermeister Dieter Pützhofen ein Initiativkreis gründete, der den Rennverein sanieren sollte. Eine Sanierung erwies sich als unmöglich, und es entstand daraus die „Krefelder Galopprennbahn Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG“ mit 10 Mitgesellschaftern, von denen jeder 10000 Mark Einlage zeichneten. Geschäftsführer waren Claus-Gert Detig und Günter Wolff. Ab 25. Mai 1997 veranstaltete diese Betriebsgemeinschaft erfolgreich Galopprennen.

Abb. 7. Günter Wolff übernahm nach der Gründung des Rennclubs den Vorsitz des Vereins.

Abb. 8. Logo des Krefelder Rennclubs.

Für den neuen Verein, den „Krefelder Rennclub 1997 e. V.“, am 19. Dezember 1997 gegründet, übernahm Günter Wolff den Vorsitz, Heinz Schotte wurde sein Vertreter und Jan Schreurs übernahm das Schatzmeister-Amt. Die Kommanditisten, die Stadt Krefeld und verschiedene Krefelder Wirtschaftsunternehmen, veranstalteten dann ab 21. März 1998 die Rennen auf der Stadtwaldrennbahn. Im Februar 2005 wechselte Jan Schreurs auf den Vorsitz, Denis Hartenstein übernahm die Vertretung. In einem Verwaltungsbeirat übernahm Günter Wolff den Vorsitz. Schatzmeister wurde Tobias Fusten, der sein Amt 2006 an Dr. Burkhard Dietrich übergab. Nachdem Alexandra Bresges-Jung 2011 aus dem Vorstand ausgeschieden war, kamen Carsten Liedtke und Horst Wittfeld hinzu. Mit Horst Wittfeld ist ein Mann in der Verantwortung, der in den letzten Jahren versuchte, die Tradition der Jagdrennen wieder zu beleben. Einige Wettbewerbe über die festen Sprünge auf einem Parcours, der auch die Diagonalen der Innenbahnen nutzte, wurden von Krefelder Bahnbesuchern erfreut beobachtet. Möglicherweise sollen im nächsten Jahr Pferde und Reiter auch wieder durch den See müssen. Das war in der Vergangenheit immer für Zuschauer ein spektakuläres Vergnügen. Für Wetter manchmal unerfreulich, weil Favoriten oder Pferde in Führung hier ihre Chancen einbüßten. In den 80ern hatte es auch mal öffentliche Aufregung um die Seedurchquerung gegeben, weil Tierschützer dagegen protestierten.

Abb. 9. Jan A. J. Schreurs, Vorsitzender des Krefelder Rennclubs

Die neuen Verantwortlichen im Krefelder Rennclub waren im Geschäftsleben und in der Wirtschaft erfahrene Persönlichkeiten, „Pferdeleute“ waren sie alle nicht. Für die Renntechnik erfuhren sie zuerst Hilfe durch Lutz Mäder, seit einigen Jahren ist Reinhard Ording, ehemaliger Jockey und noch Trainer und Pferdebesitzer, verantwortlich. Das Marketing liegt bei Tania Cosman (Wolff-Kommunikation), der Tochter von Günter Wolff, in professionellen Händen. Dass Guiseppe Balloco mit nur einem Kollegen, Carmelo Giardina, die Rennbahntechnik erledigt, ist bewundernswert. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Arbeit im Trainingsbereich, nicht zuletzt die tägliche Pflege der Sandbahn, auf der die Galopper ihre Trainingscanter absolvieren. Zum reibungslosen Ablauf der Renntage und der Vereinsgeschäfte trägt seit 2010 als Sekretärin Karin Scheid — Vorgängerin war Marlies Lucas —bei, deren Rennsport-Insider-Beziehungen dabei hilfreich sind.

Die engagierte Gruppe in der Vereinsspitze sieht sich immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Gebühren für die Absperrungen der Parkplätze, die Ordnungsdienste und die Arztbetreuung steigen. Gleichzeitig müssen die Rennpreise erhöht werden, aber die Wettumsätze gehen runter. Nur noch ein Drittel der Kosten wird durch Wettumsätze gedeckt. Auch die Motivation von Firmen, die Rennen sponsern und dazu Gäste einladen wollen, sinkt aufgrund der Gesetzeslage über Bewirtung und Geschenkannahme. Auch Krefelder zeigen manchmal Hemmungen, die Rennen zu besuchen, weil sie glauben, bei „großer Gesellschaft“ und breiten Hüten nicht erwünscht zu sein. Sicher gibt es den „Ladys-Day“ mit Hutprämierung, aber es gibt auch den letzten Renntag des Jahres mit dem Wintermarkt und bunten Verkaufsbuden. Und immer wieder Aktionen, die zeigen sollen, dass der Besuch der Pferderennen im Stadtwald ein volkstümliches Vergnügen sein kann und bleiben soll. Ponyreiten für Kinder und die Hüpfburg sind immer wieder beliebt, am Nachmittag beim Pferderennen treffen sich Pferdefreunde, Wetter und Familien zum Vergnügen in grüner Umgebung.

Abb. 10. Tania Cosman, für das Marketing des Rennclubs verantwortlich, trägt zum „Ladys Day“ einen eleganten Hut wie viele andere Besucherinnen, die sich der traditionellen Hutprämierung stellen.

„Wir wollen die Attraktivität eines Rennbahnbesuchs steigern“, sagt, in die Zukunft blickend, Jan Schreurs, „wir können uns nicht mehr auf die Wettumsätze verlassen.“ Einige westdeutsche Rennbahnen in der näheren Umgebung werden vermutlich die nächsten Jahre nicht überleben. Um die Krefelder Rennbahn zukünftig als A-Bahn erhalten zu können, müssen mindestens fünf Renntage veranstaltet und ein Gruppenrennen ausgeschrieben werden. Im Jubiläumsjahr 2013 waren sechs Renntage geplant, einer musste aus Witterungsgründen ausfallen, dafür wurde ein weiterer hinzu genommen. Zwei Gruppenrennen sollten es auch 2014 werden, die Renntermine stehen noch nicht fest.

Die Krefelder Rennbahn, das größte Denkmal der Stadt, für die Krefelder Bevölkerung und den Galopprennsport zu erhalten, das ist das Ziel von Jan Schreurs und seinen Rennclub-Freunden. Was vor einem Jahrhundert mit großem Wohlwollen weitsichtiger Krefelder Politiker, einer schnell handelnden Verwaltung und riesiger Resonanz unter den Krefelder Bürgern begann, wird so hofft Jan Schreurs, auch im nächsten Jahr auf Unterstützung aller Krefelder bauen dürfen.

Benutzte Quellen
Krefelder Tageszeitungen und Zeitungsausschnittsammlungen, Stadtarchiv Krefeld.
Akten Krefelder Rennverein, Bestand 80/26, Stadtarchiv Krefeld.
Homepage Krefelder Rennclub.