Krähenfeld, Klapperstorch und Osterhase

Krähenfeld, Klapperstorch und Osterhase

Bringt der Klapperstorch die Kinder und legt der Osterhase die bunten Eier?
Nein, das sind nette „Dönekes“, gern gehört und weitererzählt, aber nicht wirklich geglaubt.
Es gibt noch mehr Deutungen und Sprüche, viele Menschen glauben sie gerne, obwohl sie wissen, dass diese Sprüche unwahr sind. Er sei der Staat – „L’état c’est moi“ – soll der Sonnenkönig, Ludwig XIV., gesagt haben. Treffend für den Absolutismus, aber schön erfunden. Auch, dass Marie Antoinette dem französischen Volk zumutete, Brioche zu essen, wenn es denn kein Brot gäbe, ist naiv-bösartig, aber nicht belegt. Ähnliches gibt es aus unserer Gegend, aber auch da sollen die Franzosen verbal mitgespielt haben. Die „Fisimatenten“ werden gerne den rheinischen Müttern in den Mund gelegt. Sie sollen so ihre Töchter gewarnt haben, der Aufforderung der französischen Soldaten, ihr „tent“ zu „visitieren“, zu folgen. Auch nicht wahr, „visae patentes“ soll der lateinische Ursprung sein, die Bezeichnung für ein ordnungsgemäß verliehenes Patent, das man zeigen sollte.
Nun sind die leider erfundenen Begründungen zu schön, um zu verschwinden. So ist es auch dem Namen Krefeld ergangen. Krefeld aufwertend und fast adelnd mit dem Beinamen als „Samt und Seidenstadt“ zu bezeichnen, war nicht ganz falsch aber doch sehr hoch gegriffen. Besser war „Stadt des Samtes und der Seide“, so wurde Krefeld mal genannt. Und das ist zwar richtiger, war aber wohl sprachlich nicht griffig genug, um sich einzubürgern und um langfristig tradiert zu werden.

Die größte, immerfort weiter erzählte „Lüge“ – „Sage“, milde gesagt – ist die, die Herkunft des Stadtnamens mit „Krähenfeld“ zu begründen. Ernsthaft wird daran geglaubt, und Krähen wären schon Krefelder Wappentiere, wenn nicht der kopflose Heilige im Stadtwappen ein noch auffälligeres und merkwürdigeres Alleinstellungsmerkmal wäre.

Aber wer denkt denn, dass hier in der Gegend, genau in oder um Krefeld, dauerhaft so viel Krähen gesiedelt hätten, dass man den Ort damit beschreiben und geographisch hätte einordnen können?
Nein, natürlich denkt das niemand, der ein wenig überlegt. Und wer mehr über die Herkunft wissen will, schaut sich die Forschungen von Historikern über die Herkunft des Namens an.

Johannes Ramackers lehrte an der Pädagogischen Hochschule in Aachen und hat ein kleines Buch – „Beiträge zur Geschichte Krefelds. 1. Heft, Forschungen zur rheinischen Geschichte“ – geschrieben, das 1939 im Selbstverlag erschien. Ein wichtiger Beitrag daraus stand vorher schon in der „Zeitschrift für niederrheinische Heimatpflege“, „Die Heimat“, die 1937 (Jahrgang 16, Heft 4) als Festschrift erschien zu Ehren von Karl Rembert, der am 8. Januar 1938 70 Jahre alt wurde. Ramackers, der promovierte Historiker, führt den Namen auf „Quirinus“ zurück, und seine ausführlichen und detaillierten Argumente sind schlüssig und er belegt sie auch.

Mit der Rolle Krefelds im kirchenverwaltungsmäßigen Aufbau der alten Erzdiözese Köln beginnt der Autor seine Überlegungen. Krefeld gehörte in kirchlicher Beziehung seit den Anfängen bis zum Ende des alten Erzbistums Köln zum Dekanat Neuss. Und zwar zur nördlichen Spitze, umgeben von anderen Dekanaten. Ramackers führt ausführlich aus, warum diese Dekanate und die herum liegenden Pfarren nicht die Mutterpfarre von Krefeld gewesen sein können. In das Ende der Karolingerzeit, in die zweite Hälfte des 9. oder zu Beginn des 10. Jahrhunderts ist ihm zufolge die Einführung des Christentums mit fester Organisation zu datieren. Das Neusser Quirinuskloster der Benediktinerinnen hatte in der Krefelder Gegend Besitzungen. Dass diese von den Grundherren Quirinusfeld genannt wurden, liegt nahe. Auf das Ende der Karolingerzeit ist die Gründung einer Kirche anzunehmen, die dem Heiligen Dionysius als Patron geweiht war. Die grundherrliche Gründung Krefelds und die kirchliche Organisation fallen also zusammen.

Seit dem 12. Jahrhundert sind verschiedene Namensformen für Krefeld bekannt. Um 1150 taucht der Name „Krinvelde“ auf, in einer anderen Schreibweise auch „Krinfelde“ oder „Krienfelde“ und „Kreinfelde.“ Die Form „Creinvelt“ kommt 1166 erstmals in den Urkunden des Stiftes Meer vor. Später findet man „Crenevelt“ und seit 1259 „Crefelt“, seit dieser Zeit die am meisten gebrauchte Form, zusammen mit „Creyvelt“ das ganze Mittelalter hindurch gebräuchlich. Aus den Varianten „Kreyfelt“ und „Kreyfeld“ ergab sich schließlich „Krefeld.“ 

Die sprachliche Entwicklung belegt Ramackers auch mit Familiennamen, die aus „Quirinus“ entstanden sind. Die bekanntesten sind Krins und Krings, Greyn oder Krienen.

Und zuletzt von mir noch der Hinweis auf die Krefelder Mundart. „Krie-welsch“ wird sie genannt und geschrieben. Hier ist das i, wie es in “Quirinus“ vorkommt, wieder da, das vorher verschwunden schien.
Es mag leichter sein an „Krähenfeld“ zu glauben, als an „Quirinusfeld.“ Es braucht keine kirchenhistorischen Erklärungen, keine Darlegungen der territorialen Entwicklung und keine Nachvollziehung sprachlicher Veränderungen.

„Krähenfeld“ ist gut für die Leichtgläubigen, für die, die daran glauben, dass der Osterhase die Eier legt und der Klapperstorch die Kinder bringt.

Dieter Peschken