Der Füllhalter

Der Füllhalter

Der Bus stand. Wieder, wie so oft, würde die Fahrt zur Schule länger dauern. Und heute saß dieses Mädchen neben ihm. Er kannte die Kurzhaarige nicht, nur gesehen hatte er sie mal. Sie war seit einigen Tagen in der Parallelklasse. In ihren Jeans waren die wichtigen Löcher an den richtigen Stellen und an ihrer Unterlippe steckte ein silbriger Nagel. Sie hatte eine große Nase und roch nach Badezimmer. Er sah aus dem Fenster und merkte, wie sie zu ihm blickte. Und spürte, dass ihr linker Sneaker viel zu eng an seinen rechten Schuh rückte. Er sagte nicht, dass ihm das unangenehm war. Aber er ließ seinen Fuß stehen. In seiner Hand hielt er das Etui mit dem Füllhalter. Es war ein Lamy Imporium, den er heute zum Geburtstag bekommen hatte. Seit zwei Jahren hatte er sich darauf gefreut. Keinem der Jungs, die er kannte, würde er den Füller zeigen, sie würden nur lachen. Wie über seine Cordhosen, und darüber, dass er niemals Turnschuhe – heute hatte er sich für die blauen Wildlederschuhe entschieden – trug. Sie nahm ihren Fuß weg, als der Bus wieder anrollte und schaute nicht mehr zu ihm.
In der ersten Pause suchte er sie auf dem Schulhof, sie war mit anderen Mädchen zusammen. Erst in der nächsten Pause sah er sie alleine auf der Beetumrandung sitzen. Sie sah auf. als er zu ihr trat und ihr die Hand entgegenhielt. Den Füllhalter nahm sie ohne zu zögern. „Danke“, sagte sie, „den habe ich mir schon immer gewünscht.“

Hans Dieter Peschken