Das Bild

Das Bild

Das Bild zog den Blick der Betrachter in die Weite der naturalistisch gemalten Berglandschaft. 70 mal 100 waren die Maße des Werkes, das in der Kunsthandlung an einem unauffälligen Platz hing. Schon zehn Minuten hatten die Frau und der Mann die Szene mit dem See im Vordergrund und den Wald am Bildrand angeschaut.
„Siehst Du die Bank, links, da haben wir immer gesessen“, sagte die Frau zu ihrem Mann.
„Ja“, sagte der Mann.
„Wo der Maler gestanden haben muss, war da nicht der Steg?“
„Ja“, sagte der Mann
„Sind wir nicht auch bis hinten und dort in die Berge gelaufen?“
„Ja, das sind wir“, sagte der Mann, „in jedem Jahr.“
„Ich möchte das Bild gerne haben“, sagte die Frau, „wenn es nicht zu teuer ist.“
„Ja“, sagte der Mann, „mir gefällt es auch. Ich frage mal nach dem Preis.“
Der Kunsthändler musste nicht nachschauen.
„Es ist ein Leinwanddruck, das Original ist von einem unbekannten nordamerikanischen Maler aus dem 19. Jahrhundert“, sagte er und nannte den Preis, „der Rahmen kommt extra, so wie sie ihn wünschen.“
Er sagte seiner Frau nicht was es kostete, nur dass er das Bild gekauft hatte.
„Das ist sehr schön“, sagte die Frau, „aber können wir uns das auch leisten?“
„Ja“,sagte der Mann.
„Aber wir können trotzdem nächstes Jahr wieder dorthin fahren?“
„Ja“, sagte der Mann, „natürlich.“
„Ich freue mich schon“, sagte die Frau, „vielleicht treffen wir den Maler dort.“
„Ja, das kann sein“, sagte der Mann, „ich freue mich auch.“
Der Kunsthändler hatte schon den Rollstuhl für die Frau geholt.
„Danke“, sagte der Mann, „ich komme dann noch mal rein, um den Rahmen auszusuchen. Er darf nicht zu groß sein, im Pflegeheim ist es eng.“