Das Abenteuer unserer Sammlung

Das Abenteuer unserer Sammlung

Abenteuer? Wer will nicht ab und zu ein Abenteuer erleben? Ist der Titel der ersten Ausstellung im KWM so gemeint, dass den Besucher ein Abenteuer erwartet beim Betrachten der Kunstwerke? Oder war es ein Abenteuer, die Sammlung zusammenzustellen? Hat vielleicht sogar die Sammlung Abenteuer erlebt? Und was heißt hier „unsere“ Sammlung? Sind die Museumsleute gemeint, die über die Jahrzehnte die Objekte angeschafft haben? Oder ist es „unsere“ Sammlung, die Sammlung der Krefelder Bürger?

So muss das sein, Kunst muss Fragen stellen, nicht beantworten, Kunst ist polyvalent.

Mit einem Kopf, gefüllt mit Fragen und neugierig betritt der Besucher das proper restaurierte Haus, das ohne transloziert worden zu sein, die Adresse gewechselt hat. Steht dann im Eingangsbereich vor einer Thekenanlage, die mit ihrer hölzernen Pracht beeindruckt, und somit viel ansehnlicher ist als die in der Hauptpost. Sogar in den Treppenhäusern, die das Haus erschließen, fühlt der Besucher sich sehr viel wohler als in ähnlichen Anlagen in Parkhäusern. Zumindest unangenehme Abenteuer sind nicht zu erwarten. Schwere Eisentüren trennen die Ausstellungsräume vom Treppenhaus, so bleibt es drinnen wenigstens kühl. Allerdings hat das Calder-Mobile nichts davon, es ist offenbar unempfindlich gegen Temperaturschwankungen und darf draußen bleiben. Wie die Beton-Omas neben dem Eingang von Einfamilienhäusern.

Der Frage, oder dem Problem, wo er in den Ausstellungsräumen zuerst hinschauen soll, ist der Besucher nicht ausgesetzt. Die Exponate sind so gehängt oder aufgebaut, dass sich immer mehrere im Blickfeld befinden. So wird es ein ökonomischer Rundgang, denn wie soll man sonst die 374 Einzelstücke, die auf 1 800 Quadratmeter präsentiert werden, abschreiten und beachten können. Bei alten Bekannten muss der Besucher eh nicht lange verweilen, darf sich auch nicht stören lassen, wenn es irgendwo rappelt oder donnert. Das gehört zur Kinetik. Davon einen Schrecken zu bekommen ist noch nicht abenteuerlich. Doch einem ästhetischen Abenteuer sieht der Besucher sich ausgesetzt, wenn er zwischen den Thorn Prikker-Wandbildern das hölzerne, mit plastischen Kunstwerken vollgestellte Regal erblickt. Das ist rustikaler als die Dinger von Ikea, gefällt mit seinem Heimwerker-Charme. Nicht nur hier stellen sich weitere Fragen. Was hat der Künstler sich dabei gedacht? Das wollte der Besucher früher einmal wissen, wenn er sich mit einem Kunstwerk konfrontiert sah, dessen Bildsprache ihm nicht so vertraut war. Heute, bei dieser Abenteuer-Ausstellung, möchte er, nein, muss er fragen, was der Ausstellungsmacher sich bei der Zusammenstellung gedacht hat. Nicht chronologisch ist gehängt oder nach Epochen. Nein, ein Crossover der Exponate aus unterschiedlichen Zeiten soll Bezüge erkennen lassen. Die würden sich für den Besucher auch nicht so darstellen, wären die Kunstwerke anders sortiert worden. Schwer wäre es, sich daran zu erinnern, was man zwei Räume zuvor gesehen hat, und was es mit dem Werk zu tun hat, vor dem man gerade steht.

Ist der Rundgang absolviert, muss sich der Besucher von den optischen Zumutungen der Kunstwerke und den strengen Blicken des Aufsichtspersonals erholen. Die Cafeteria im Erdgeschoss ist das letzte Abenteuer, sie besticht vorerst durch Improvisation. Das Mobiliar ist sehr gemischt, welchen Regeln die Zusammenstellung folgt, ist nicht zu entschlüsseln. Aber es gibt Kaffee und die befleckte Milch. Und Kuchen ist im Angebot, sogar Sandwichs und ein warmes Tagesgericht erleichtern die Auswahl nicht.

Beim Verlassen des Hauses ist der Abenteuer-Faktor nicht so hoch wie beim Betreten. Die Eingangstür öffnet sich automatisch, nach außen selbstverständlich. Ein schmerzhafter Kontakt ist in dieser Richtung nicht mehr möglich. Aber der Kontakt mit den Kunstwerken ist nicht folgenlos geblieben, in so ein großes und helles Haus will man doch nicht nur einmal gewesen sein. Pädagogisch inszenierte Abenteuer in Serie zu erleben ist hier täglich möglich, außer an Montagen.

Hans Dieter Peschken