Caco

Caco

Wer war er, der Mann, der sich Caco nannte?
Auch wenn er gerne einer gewesen wäre, und andere ihn einfach so bezeichneten: Ein Künstler war er nicht.
An einem 11. im 11. in Köln geboren, verweigerte man ihm einen angemessenen Start ins Leben. Die Familienverhältnisse als sozial verwildert und prekär zu bezeichnen, mag nach allem was er darüber oft öffentlich erzählte, nicht falsch sein. Und die Verletzungen an Körper und Seele, die ihm im Kinderheim zugefügt wurden, müssen furchtbar und prägend gewesen sein.
Damals hieß er noch Karl Heinz, fühlte sich früh als ein Verstoßener und suchte seinen Platz in einer Gesellschaft, die ihn offenbar nicht akzeptierte. Handwerkliches Geschick befähigte ihn zu einer Ausbildung als Polsterer, und mit musikalischem Interesse suchte er Anschluss an alternative Bands. Trommeln war sein Metier, im „Jupp-van-de-Flupp-Orchester“ fand er eine Möglichkeit Beifall zu bekommen. In der ersten Krefelder Kommune an der Rheinstraße lebte er so, wie man es sich in kleinbürgerlichen Kreisen vorstellte.
Caco wollte geliebt werden, wollte sich aber auch nicht den Spießern anpassen. Er trat den Menschen gegen die Schienbeine, erwartete Reaktionen und bekam Ablehnung. Je mehr diese Reaktionen ihn weiter ins Abseits stellten, desto mehr versucht er akzeptiert zu werden.
In einer bürgerlichen Gesellschaft darf man der Norm nur dann nicht entsprechen, wenn man ein Künstler ist. Und Künstler ist einer, der seinen Ideen und seine Weltsicht oft so ausdrückt, dass er nicht verstanden wird. In seiner Frühzeit für einen Spinner gehalten zu werden, ist einem Avantgardisten nicht fremd.
So kann man sich ein Persönlichkeitsbild schaffen: Ich bin ein Spinner, so sagen die Leute, also bin ich ein Künstler. Ich bin etwas Besonderes und stehe deshalb außerhalb. Mögen die Menschen mich auch nicht, wenn ich provoziere, dann müssen sie mich mögen, weil ich ja ein Künstler bin. Narrenfreiheit kann das genannt werden, den Künstlern wird sie zugestanden und Caco reklamierte sie für sich.
Und so strudelte Caco fortan durch die Krefelder Subkulturszene, seinem Vorbild Beuys folgend. Auch der ein begnadeter Spinner, der zeitlebens diesen Ruf verteidigte.
Caco kam der damalige Kunstbetrieb, wie ihn Beuys auch an der Düsseldorfer Akademie pflegte, zupass. Herumalbern und provozieren konnte man nun als Performance deklarieren, und das war schließlich Kunst. Hatten es die Dadaisten und Surrealisten nicht vorgemacht? Man musste nicht malen können, auch nicht Bildhauerei beherrschen oder lange an ästhetischen Produkten arbeiten, gar Theorien im Hinterkopf haben, nein, es genügte, Fundstücke zu Kunst zu erklären und mystisch zu palavern.
„Blick ich nicht durch, mal ich es bunt“ hat Caco mal ein bemaltes Holzstück benannt. Er konnte die kreative Sau rauslassen, in Ekstase geraten und die Relikte solcher Momente – bemalte und beschmierte Unterhemden – , als vorzeigbare Kunst deklarieren. „Fluxus“ hieß es, wenn niemand erklären konnte, was ablief. Wenn ihm zu klug geredet wurde, schnackte er Blödsinn, zeigte man gutmütiges Verständnis für ihn, wehrte er sich mit Peinlichkeiten. Manchmal sonderte er philosophische Erkenntnisse ab, die staunen machten. Sie ließen tiefer in seine Seele blicken, als er zulassen wollte.
Zwischenzeitlich, mal mit verschiedenen Suchtmitteln zugedröhnt und depressiv, dann auch wieder hyperaktiv und den Pausenclown und das Rumpelstilzchen machend, versuchte er auf die bürgerliche Schiene zu gelangen. In einer ABM-Stelle koordinierte er die „Dritten“, also die Kulturmacher der freien Szene. Und 1982 wagte er mit Heide Jansen den Ausstieg aus dem freien Leben hinein in die gebundene Ehe. Die wirkliche Avantgarde drohte ihn auf der progressiven Spur zu überholen, und schon beschritt er einen neuen Weg, auf dem er wieder führend sein konnte.
Er hat noch viel getrommelt, alte Schlager mit seinem „Herz-Schmerz-Trio“ singend parodiert und mischte sich in die Umweltpolitik ein. Bäume gepflanzt wie Beuys hat er auch, nahm sich dafür eine unerreichbare Zahl vor, für die er dennoch Zuspruch erhielt. Sogar offizielle Ehrungen nahm er an, ließ sich im Rathaus einen Preis überreichen und gab eine Urkunde auch wieder zurück, als er bei Baumfällungen Umweltfrevel zu erkennen glaubte.
Caco hatte einen Platz in der Krefelder Kulturlandschaft. Einige etablierte Kulturschaffende zeigten sich ablehnend und ignorierten ihn. Andere freuten sich, manchmal auch nur heimlich, über den Wind, den Caco über die verstaubte Landschaft fegen ließ und die Anstöße, mit denen er verkrustete Strukturen erschütterte.
Ein Kleinbürgerschreck war Caco, ein Nachdenklicher, aber kein Stiller. Auf künstlerischem Gebiet ein Allround-Dilettant, er zeichnete Spiralen und malte viele Punkte. Er verkaufte auch einige Objekte und Bilder, aber er wusste schon früh: „Wenn Du tot bist, kannst Du von Deiner Kunst leben.“
Ob seine Prophezeiung wahr wird, zeigt sich jetzt, wo er die Krefelder Szene verlassen hat. In seinen letzten Jahren wurde er aufgefangen, Renate, die ihn seit 1992 kannte, sorgte für bürgerliche Lebensbedingunngen und Stabilität. Er wusste diesen Halt zu schätzen, ob die Krefelder Karl Heinz Ramacher ebenfalls zukünftig schätzen werden, ob sie merken, was sie verloren haben?

Dieter Peschken